Künstliche Intelligenz – ein vielversprechender Einsatz bei Multipler Sklerose? (2. Teil)

von Kirsten 

Während wir uns in Teil 1 dieses Artikels mit den Grundlagen der KI und der Anwendung in Bezug auf die Bewertung des Erkrankungsrisikos, genetischer Muster und der Interpretation von Biomarkern beschäftigt haben, widmen wir uns im Folgenden klassischen Mustererkennungsaufgaben. 

Bilderkennung bei MRT-Aufnahmen von Nervengewebe («Neuroimaging») 

Mit der Bilderkennung ist es z.B. möglich, dass der Computer selbstständig erkennt, ob auf einem Bild ein Hund oder eine Katze abgebildet ist. Mit gut trainierten neuronalen Netzen ist es auch möglich, Unterscheidungen zwischen Bildern vorzunehmen, die für Menschen schwieriger zu erkennen sind – wie z.B. bei MRT-Aufnahmen.  

Bei der Diagnose von MS werden seit mehr als 20 Jahren MRT-Aufnahmen von Nervengewebe (Hirn, Rückenmark) miteinbezogen. Weisen diese Aufnahmen einige Kriterien auf, die vor einiger Zeit von McDonald definiert wurden, scheint eine MS-Erkrankung naheliegend [16],[17]. Generell sollten Auffälligkeiten in den MRT-Aufnahmen von anderen (demyelinisierenden) Krankheitsbildern gegenüber einer MS-Erkrankung abgegrenzt werden. Die Auswertung der MRT-Aufnahmen erfolgte bisher durch Radiologen bzw. geschulte Neurologen. 

Bei der Magnetresonanztomographie (MRT, MRI, Kernspin) wird im Allgemeinen ein Magnetfeld angelegt, um vor allem wasserstoffhaltige – und somit vor allem wasserhaltige (also tendenziell weiche) – Gewebe bildlich darzustellen [18]. Entzündetes (wasserreiches) oder vernarbtes (wasserarmes) Gewebe wird folglich anders abgebildet als gesundes Gewebe – und ermöglicht hierdurch die Diagnose von Erkrankungen. Die Bildgebung selbst findet in mehr oder weniger kontrastreichem Schwarz-Weiß statt und beinhaltet somit lediglich Graustufen zur Differenzierung. 

Künstliche Intelligenz kann im Neuroimaging prinzipiell auf verschiedene Weise angewendet werden, wie z.B.: 

  1. MRT-Bilder können von neuronalen Netzen automatisch so verarbeitet werden, dass sie selbstständig Auffälligkeiten auf den Bildern kontrastreicher darstellen. Somit könnte die anschließende manuelle Auswertung dem Arzt erleichtert werden. 
  1. Neuronale Netze könnten selbst auswerten, wie viele Läsionen vorhanden sind und deren Größe ermitteln. Diese numerischen Daten könnte der Arzt entsprechend für eine Diagnose heranziehen, ohne selbst manuell zählen und ausmessen zu müssen. 
  1. MRT-Bilder können von künstlichen neuronalen Netzen selbst insoweit analysiert werden, dass diese selbstständig eine Diagnose stellen könnten. Ist aber ethisch betrachtet kaum einsetzbar. 

Im Hinblick auf die MS-Diagnose braucht es zusätzlich zu den MRT-Aufnahmen auch MS-spezifische Symptome. Sind Läsionen z.B. im Hirn entdeckt worden, ohne dass der Patient MS-typische Beschwerden hat, wird dies als Klinisch Isoliertes Syndrom betrachtet [19]. Dies könnte ein Hinweis auf eine MS-Erkrankung im frühen Stadium darstellen und wäre daher im Bereich der Früherkennung denkbar.  

Hat ein Patient (ohne MS-Diagnose) allerdings keine MS-typischen Beschwerden, die MRT-Aufnahmen veranlassen würden, könnten vorhandene Läsionen nicht erkannt werden. Eine Rolle der KI in der Früherkennung mittels MRT-Aufnahmen erscheint in einem solchen Fall eher unwahrscheinlich, denn kostspielige MRT-Aufnahmen werden im klinischen Bereich selten ohne das Vorliegen von Beschwerden erstellt. 

Eine größere Rolle könnte die KI im Bereich Bilderkennung bei der Verlaufskontrolle spielen, indem es die Zunahme von Anzahl und Größe der Läsionen der MRT-Aufnahmen analysiert. Wird die zeitliche Komponente noch mit erfasst – also in welchem Zeitraum zusätzliche / vergrößerte Läsionen entstanden sind – wäre auch eine Prognose über den zukünftigen Verlauf der MS-Erkrankung möglich.  

Allerdings sagt die Zahl oder das Volumen der Läsionen oft nur sehr wenig über den Krankheitsverlauf aus; siehe: https://lsms.dsgip.de/ms-intro/mrt/ 

Spracherkennung («Speech Recognition») 

Mithilfe der KI ist es prinzipiell auch möglich, die Sprech-Fähigkeit zu analysieren [20]. Manche MS-Erkrankte zeigen Auffälligkeiten in verschiedensten Aspekten, die zur Sprachbildung beitragen, wie z.B. Atmung, Phonation (Erzeugen von Sprachtönen in den Stimmlippen), Prosodie (z.B. Satzmelodie, Tempo, Rhythmus, Sprechpausen), Artikulation (z.B. abgehackte, unpräzise, monotone oder stakkatoartige Aussprache von Wörtern) sowie Resonanz (Klarheit und Lautstärke des Gesagten) [21].  

Früher wurden Sprachschwierigkeiten mittels Sprachtests ausgewertet, bei dem der Zuhörer (z.B. Arzt) Punkte anhand einer Skala bezüglich verschiedener Sprechkomponenten vergeben hat [22],[23]. Mit KI hingegen ist es möglich, deutlich schnellere, standardisierte (und somit vergleichbarere) sowie automatisierte Analysen hinsichtlich verschiedenster Komponenten gleichzeitig vorzunehmen. Diese Analysen könnten in höherem Detailierungsgrad durchgeführt werden, als das bisher mit Skalenwerten von z.B. 0 bis 10 der Fall wäre.  

Wie bei der Bilderkennung wären auch hier verschiedene Set-Ups denkbar. So könnte die KI z.B. «nur» die Art und Häufigkeit der Auffälligkeiten als Zahlenwerte ausgeben und somit die Grundlage für eine manuelle Diagnose des Arztes darstellen. Es wäre aber prinzipiell auch denkbar, dass die KI selbst die Schwere der Sprech-Schwierigkeiten anhand der ermittelten Kriterien einstuft.  

Generell sei erwähnt, dass Sprech-Schwierigkeiten nach bisherigem Verständnis vor allem in einem späteren Krankheitsstadium bzw. mit höherer körperlicher Beeinträchtigung vorzufinden sind [24]. Im Bereich MS-Diagnostik würde nach derzeitigem Stand diese Analyse zur Diagnosestellung somit weniger hilfreich erscheinen. Sie wäre eher beim Monitoring des Krankheitsverlaufs (ebenso wie bei anderen neurologischen Erkrankungen wie Demenz oder Parkinson) einsetzbar. Doch wenn die Sprachschwierigkeiten tendenziell erst in einem weiter fortgeschrittenerem Stadium eintreten, ist fraglich, ob das Sprach-Monitoring hier noch einen großen Nutzen bringt. Zukünftige Studien könnten aber durchaus zeigen, dass für den Menschen nicht hörbare Unterschiede von einer KI durchaus frühzeitig detektierbar wären und deren Einsatz demzufolge auch zu einem früheren Zeitpunkt sinnvoll erscheinen könnte. 

Sprachanalyse wird bei MS derzeit u.a. in der Forschung eingesetzt, um Zusammenhänge von Sprache, Denken, Depressionen und Müdigkeit zu untersuchen [25], [26]. Es ist also ein Puzzlestück, das mittels Analyse durch KI zum besseren Verständnis der Erkrankung und dessen Verlauf beiträgt.  

Ganganalyse 

In Rahmen der Ganganalyse können z.B. Schrittlänge, Gehgeschwindigkeit, Schrittfrequenz, Gelenkwinkel und Muskelaktivität untersucht werden [27]. Man könnte hierfür prinzipiell folgende Daten heranziehen [28]: 

  1. Daten aus Videosequenzen (zur Bewegungsanalyse im Hinblick auf Zeit und Raum) 
  1. Daten von tragbaren Sensoren (zur Analyse von Geschwindigkeit, Beschleunigung, Orientierung) 
  1. Daten von Sensoren am Boden (zur Belastungsanalyse des Körpergewichts auf die Füße bzw. der Füße auf den Boden) 

Eine KI könnte den Gang eines Menschen detaillierter analysieren, als dies mittels Skalen (z.B. der Expanded Disability Status Scale [29]) möglich wäre. Zudem könnten auch kleinste Gangunsicherheiten von der KI entdeckt werden, die dem Blick eines Menschen möglicherweise nicht sofort auffallen würden. Auch hierfür braucht es einiges an Trainingsdaten (z.B. Videosequenzen, Sensordaten) von verschiedenen Probanden.  

In der Forschung werden z.B. Daten von «Wearables» (z.B. Fitnessarmbänder oder Ähnliches), also Sensordaten, genutzt, um mittels KI z.B. das Sturzrisiko von MS-Patienten zu analysieren und somit die Grundlage für Sturzpräventions-Maßnahmen zu schaffen [30]. Daten aus komplexeren Ganganalyse-Systemen, die bereits im klinischen Bereich eingesetzt werden, wurden ebenfalls im Rahmen einer Studie mittels KI verarbeitet. Diese zeigten sogar, dass KI bereits pathologische Gehmuster in einer frühen Erkrankungsphase der MS erkennen kann [31]. Der unterstützende Einsatz der KI im klinischen Bereich wäre hier durchaus denkbar.  

Textbasierte Kommunikation («Natural Language Processing») 

Chatbots wie ChatGPT oder LLaMA nutzen künstliche Intelligenz in Form von Natural Language Processing (NLP). Durch NLP soll ein Computer in der Lage sein, menschliche Sprache zu verstehen, zu interpretieren und entsprechenden Output zu generieren. Dieser Output könnte z.B. die Antwort auf eine Frage sein oder auch ein Arztbrief, der aus den Befund-Daten automatisch generiert wird. Diese Technologie könnte also auf beiden Seiten genutzt werden – vom Patienten zur Informationsbeschaffung sowie vom Arzt bzw. dem Gesundheitssystem zum Patientenmanagement.  

Gerade der Bereich der Schulmedizin ist von Zeitmangel geprägt [32]. Da erscheint die Möglichkeit, dass sich der Patient selbst umfassend über seine Erkrankung sowie schulmedizinische und alternative Behandlungsmöglichkeiten informieren kann, zunächst sinnvoll. Es stellt somit einen Baustein zur Selbstfürsorge (Self-Care) und damit der Gesundheitsförderung dar, da der Patient durch Informationen unterstützt werden kann, sich um seine eigene physische und psychische Gesundheit zu kümmern. Die Nutzung von NLP soll hierbei nicht den Arzt ersetzen, kann aber als unterstützendes Medium fungieren. Es muss allerdings berücksichtig werden, dass es bisher keine ausreichende Qualitätssicherung in diesem Bereich gibt, die korrekte Information / Antworten zu den angefragten Themen garantieren kann. Seitens des Gesundheitssystems gibt es bereits digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) für MS-Erkrankte wie «elevida» [33] oder «levidex» [34], die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte angeboten werden und vom Arzt verordnet werden können. Diese Anwendungen wurden von einer Firma erstellt, die auch künstliche Intelligenz nutzt, um zumindest den klinischen Benefit ihrer Apps für den Patienten zu verbessern [35], nicht aber um die bestmöglichen Antworten schnell aus dem Internet via NLP bereitzustellen. 

NLP kann auch eingesetzt werden, um das zeitaufwändige Schreiben von Dokumenten wie z.B. Arztbriefen zu automatisieren. Das Fraunhofer Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS entwickelt hierfür einen Arztbriefgenerator, der bis Ende 2024 auf den Markt kommen soll [36]. Für die Zukunft erwartet man außerdem, dass mittels NLP-Daten jeglicher Art (z.B. tabellarische Daten wie Laborwerte; MRT-Bilder) automatisch und im Kontext interpretiert werden können. 

Medizinprodukte 

Bis heute sind die genauen Ursachen bzw. deren Zusammenspiel und Mechanismen der MS nicht genau bekannt, was die Entwicklung MS-spezifischer Medikamente erschwert. Insbesondere vor dem Hintergrund der multifaktoriellen Natur der MS sind Versuche, das «eine Medikament für alle» zu finden, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, die Ursachen zu identifizieren und dadurch das Designen neuer Medikamente bzw. Behandlungsansätze zu unterstützen. Es wäre zudem möglich, mittels Einsatzes von KI die Effizienz von (neuen) Medikamenten bzw. deren Nebenwirkungen abschätzen zu können. Und sogar das Design neuer Wirkstoffmoleküle könnte von einer KI ermittelt werden.  

In Anbetracht der erfolgsversprechenden neuen Technologie haben sogar die Regulationsbehörden verschiedener Gebiete / Länder (FDA, EMA, BfArM) den Einsatz künstlicher Intelligenz für bestimmte Medizinprodukte zugelassen [37], [38], [39]. Nicht nur für die Entwicklung neuer Medizinprodukte, sondern auch zum Vermeiden von Lieferengpässen soll künftig KI unterstützend eingesetzt werden [40]. 

Fazit 

Die genauen Ursachen der Multiplen Sklerose sind bis heute noch nicht geklärt [41]. Auch Zusammenhänge im Hinblick auf den Schweregrad der Erkrankung sind nicht bekannt. Gerade hier kann die künstliche Intelligenz helfen, bessere Einblicke und somit ein umfassenderes Verständnis für die MS-Erkrankung zu erlangen. Voraussetzung ist allerdings, dass hierfür entsprechende Daten zur Verfügung stehen bzw. zugänglich sind. Wird an etwas nicht im Kontext mit MS geforscht bzw. bestimmte Daten nicht im Kontext mit MS erhoben, kann auch eine KI nicht alle Rätsel der MS-Erkrankung entschlüsseln. Zudem ist sowohl beim Einsatz künstlicher als auch menschlicher Intelligenz darauf zu achten, Daten richtig zu interpretieren und nicht aus einem Indiz falsche Schlüsse zu ziehen. 

Der Einsatz von KI im klinischen Bereich soll nach derzeitigem Wissensstand v.a. unterstützend stattfinden. Gerade zur Verlaufskontrolle wäre der Einsatz von KI bei der Auswertung von MRT-Aufnahmen sowie Sprachfunktionstests und Ganganalysen gut geeignet – um auch bereits kleine Verschlechterungen oder Verbesserungen besser erkennen zu erkennen. Großes Potenzial gibt es auch zur Erkennung verlässlicher Biomarker, um möglicherweise ein Vorliegen sowie den Verlauf der Erkrankung bereits am Blutbild erkennen zu können – und somit im besten Fall auf invasive sowie zeitaufwändige (und somit meist auch kostenintensive) Untersuchungsmethoden verzichten zu können). 

Inwieweit sämtliche Forschungsfelder der Künstlichen Intelligenz bei MS tatsächlich zukünftig im klinischen Bereich Anwendung finden werden, ist nicht nur eine Frage der Zuverlässigkeit der KI. Gerade im Gesundheitsbereich müssen (gemäß gesetzlicher Richtlinien) potenzielle Risiken durch den Einsatz der KI vorab abgeklärt werden. Auch hinsichtlich der Kostenfrage (z.B. durch die Krankenkasse) und dem Datenschutz wird es noch Klärungsbedarf geben. Allgemeine Vorschläge zum Einsatz von KI in der Klinik wurden bereits erarbeitet [42]. 

Referenzen 

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[2] D. Ä. G. Ärzteblatt Redaktion Deutsches, ‘Künstliche Intelligenz: Ethikrat empfiehlt strenge Vorgaben in der Medizin’, Deutsches Ärzteblatt. Accessed: May 25, 2024. [Online]. Available: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/141824/Kuenstliche-Intelligenz-Ethikrat-empfiehlt-strenge-Vorgaben-in-der-Medizin 
[3] S. Beck, M. Faber, and S. Gerndt, ‘Rechtliche Aspekte des Einsatzes von KI und Robotik in Medizin und Pflege’, Ethik Med., vol. 35, no. 2, pp. 247–263, Jun. 2023, doi: 10.1007/s00481-023-00763-9. 
[4] ‘Ethikrat: Künstliche Intelligenz darf menschliche Entfaltung nicht vermindern’. Accessed: May 25, 2024. [Online]. Available: https://www.ethikrat.org/mitteilungen/mitteilungen/2023/ethikrat-kuenstliche-intelligenz-darf-menschliche-entfaltung-nicht-vermindern/?cookieLevel=not-set 
[5] ‘Künstliche Intelligenz: Diese Regeln fordern Ethik-Experten’, ZDFheute. Accessed: May 25, 2024. [Online]. Available: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ki-regeln-gesetz-ai-act-eu-ethik-experten-100.html 
[6] S. Ghafouri-Fard, M. Taheri, M. D. Omrani, A. Daaee, and H. Mohammad-Rahimi, ‘Application of Artificial Neural Network for Prediction of Risk of Multiple Sclerosis Based on Single Nucleotide Polymorphism Genotypes’, J. Mol. Neurosci., vol. 70, no. 7, pp. 1081–1087, Jul. 2020, doi: 10.1007/s12031-020-01514-x. 
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[24] G. Noffs et al., ‘Speech metrics, general disability, brain imaging and quality of life in multiple sclerosis’, Eur. J. Neurol., vol. 28, no. 1, pp. 259–268, 2021, doi: 10.1111/ene.14523. 
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[26] ‘Zentrum für klinische Neurowissenschaften Dresden – Sprachanalyse’. Accessed: May 03, 2024. [Online]. Available: https://msz.uniklinikum-dresden.de/studien/sprachanalyse 
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[28] A. S. Alharthi, S. U. Yunas, and K. B. Ozanyan, ‘Deep Learning for Monitoring of Human Gait: A Review’, IEEE Sens. J., vol. 19, no. 21, pp. 9575–9591, Nov. 2019, doi: 10.1109/JSEN.2019.2928777. 
[29] J. F. Kurtzke, ‘Rating neurologic impairment in multiple sclerosis’, Neurology, vol. 33, no. 11, pp. 1444–1444, Nov. 1983, doi: 10.1212/WNL.33.11.1444. 
[30] B. M. Meyer et al., ‘Wearables and Deep Learning Classify Fall Risk From Gait in Multiple Sclerosis’, IEEE J. Biomed. Health Inform., vol. 25, no. 5, pp. 1824–1831, May 2021, doi: 10.1109/JBHI.2020.3025049. 

[31] K. Trentzsch et al., ‘Using Machine Learning Algorithms for Identifying Gait Parameters Suitable to Evaluate Subtle Changes in Gait in People with Multiple Sclerosis’, Brain Sci., vol. 11, no. 8, Art. no. 8, Aug. 2021, doi: 10.3390/brainsci11081049. 
[32] M. S. und G. Enwaldt, ‘Ärzte unter Zeitdruck: Medizin im Hamsterrad’, tagesschau.de. Accessed: May 03, 2024. [Online]. Available: https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/arzt-zeitmangel-100.html 
[33] ‘DiGA-Verzeichnis’. Accessed: May 25, 2024. [Online]. Available: https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis/00419 
[34] ‘DiGA-Verzeichnis’. Accessed: May 25, 2024. [Online]. Available: https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis/00752 
[35] ‘GAIA – Digital Therapeutics | News’, Machine Learning Algorithms Reveal New Insights on GAIA’s Treatment Software. Accessed: May 25, 2024. [Online]. Available: https://gaia-group.com/news/machine-learning-algorithms-reveal-new-insights-on-gaia-treatment-software.html 
[36] ‘Künstliche Intelligenz wird bald Arztbriefe schreiben’, Fraunhofer-Gesellschaft. Accessed: May 25, 2024. [Online]. Available: https://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2023/august-2023/kuenstliche-intelligenz-wird-bald-arztbriefe-schreiben.html 
[37] C. for D. and R. Health, ‘Artificial Intelligence and Machine Learning (AI/ML)-Enabled Medical Devices’, FDA, May 2024, Accessed: May 25, 2024. [Online]. Available: https://www.fda.gov/medical-devices/software-medical-device-samd/artificial-intelligence-and-machine-learning-aiml-enabled-medical-devices 
[38] ‘Reflection paper on the use of artificial intelligence in the lifecycle of medicines | European Medicines Agency’. Accessed: May 25, 2024. [Online]. Available: https://www.ema.europa.eu/en/news/reflection-paper-use-artificial-intelligence-lifecycle-medicines 
[39] ‘Künstliche Intelligenz am Forschungsdatenzentrum im BfArM zur Erforschung von Anonymisierungsmöglichkeiten und AI-readiness (KI-FDZ)’. Accessed: May 25, 2024. [Online]. Available: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/ressortforschung/handlungsfelder/digitalisierung/ki-fdz 
[40] ‘BfArM – Pressemitteilungen des BfArM – Big Data gegen Lieferengpässe: BfArM fordert mehr Transparenz von der Pharmaindustrie’. Accessed: May 25, 2024. [Online]. Available: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/pm11-2021.html 
[41] ‘Multiple Sklerose’, Wikipedia. May 06, 2024. Accessed: May 25, 2024. [Online]. Available: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Multiple_Sklerose&oldid=244726430 
[42] M. Chen and M. Decary, ‘Artificial intelligence in healthcare: An essential guide for health leaders’, Healthc. Manage. Forum, vol. 33, no. 1, pp. 10–18, Jan. 2020, doi: 10.1177/0840470419873123. 

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Künstliche Intelligenz – ein vielversprechender Einsatz bei Multipler Sklerose?

von Kirsten 

Teil 1 (von 2)

Künstliche Intelligenz (KI) ist spätestens seit der kommerziellen Einführung von ChatGPT weitläufig bekannt. Hierbei durchlaufen Input-Daten (z.B. Eingabetext des Users) ein trainiertes digitales neuronales Netzwerk, um selbstständig neuen Output zu generieren (z.B. Antwort auf eine Frage). Künstliche Intelligenz wird aber nicht nur als textbasiertes Kommunikationsmittel (die auf sogenannten General Language Modellen wie ChatGPT basieren) eingesetzt, sondern hat viele andere Anwendungsbereiche, wie z.B. (Wetter-)Vorhersagen, Sprach-, Video- oder Bilderkennung.  

Künstliche Intelligenz eignet sich generell gut zur Erkennung von Mustern und Anomalien. Verschiedene Anwendungsmöglichkeiten der künstlichen Intelligenz können prinzipiell bei unterschiedlichen krankheitsrelevanten Themen eingesetzt werden. Da stellt sich nun die Frage, inwieweit die künstliche Intelligenz einen Benefit bei MS liefern kann in Bezug auf Diagnostik, Behandlungsmöglichkeiten und Prognosen.  

Künstliche Intelligenz im Allgemeinen 

Der Begriff «Künstliche Intelligenz» ist nicht einfach zu definieren [1]. Im Allgemeinen bedeutet KI, dass der Computer nicht einfach nur Ergebnisse anhand einer Formel ermittelt – also nur das ausführt, was vorab programmiert wurde. Sondern dass er die Input-Daten zum Beispiel über ein vorgegebenes digitales Neuronen-Netz (NN)  verarbeitet. Und dabei «selbstständig» lernt, welche Informationen mehr oder weniger relevant für den Output sind bzw. gegebenenfalls selbst sogar noch Output generiert.  

Man programmiert das System also nicht direkt darauf, was es als wichtig betrachten soll. Die Art und Größe des neuronalen Netzes wird vorab programmiert. Außerdem wird festgelegt, welche Daten als Input (Trainingsdaten) verwendet werden sollen. Meist liefert die erste Nutzung eines neuronalen Netzes nicht die besten Ergebnisse. Datenwissenschaftler testen daher verschiedene Arten von NNs für die zu verwendenden Daten. Sie testen, welche Anzahl an Neuronen in dem NN die (relativ betrachtet) besten Ergebnisse liefert. Und sie «trainieren» und «tunen» einige Zeit lang das neuronale Netz, damit es gute Ergebnisse auch für neue/zukünftige Daten liefern kann. 

Was die Datenverarbeitung innerhalb eines neuronalen Netzes betrifft, ist häufig nicht im Detail bekannt, was dort genau passiert. Natürlich wurde die Arbeitsweise eines Neurons von jemandem programmiert. Aber wie das Neuronen-Netz die Daten verarbeitet, bleibt teilweise nach wie vor eine Black Box, in die man nicht hineinsehen kann [2], [3]. 

Je nach Architektur und Training des Neuronalen Netzes sowie der Art und Menge der Input-Daten kann die künstliche Intelligenz mehr oder weniger gute bzw. verlässliche Ergebnisse liefern. Die Technologie wird zukünftig vermutlich auf verschiedensten Fachgebieten vermehrt genutzt und weiter verbessert werden, so dass wir uns davor kaum verschließen können. 

Im klinischen Bereich soll (u.a. aufgrund ethischer Bedenken) nach bisherigem Stand eine KI keinen Arzt ersetzen [2], [4] – und damit keine weitreichenden Entscheidungen fällen, auch wenn es ihr möglich wäre. Auf EU-Ebene wurde erst Mitte März 2024 der «AI Act» zur Regulation von Künstlicher Intelligenz verabschiedet. Dieser besagt u.a., dass KI bei einem potenziell hohen Risiko für die Gesundheit nur eingesetzt werden darf, wenn bekannte und vorhersehbare Risiken in einer Risikoanalyse vorab dokumentiert wurden und Qualitätskriterien bei Trainingsdaten eingehalten werden [5]. 

Es liegt aber nahe, dass die KI unterstützend in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden soll. Besonders deshalb, weil sie schneller und vielschichtiger z.B. Änderungen erkennen kann als ein Mensch das könnte (z.B. bei der Verlaufskontrolle der MS). Es geht also vor allem darum, die Stärken der KI so gut wie möglich zu nutzen – gerade bei einer so komplexen Erkrankung wie der Multiplen Sklerose.  

Insgesamt betrachtet, könnte man KI bei verschiedensten MS-relevanten Themen einsetzen. Aktuell wird auch viel daran geforscht (was im Folgenden näher erklärt wird). Die KI kann also dazu beitragen, ein vollständigeres Bild der MS-Entstehung und -Erkrankung zu generieren sowie zielgerichtetere Therapieansätze zu ermöglichen. Inwieweit KI tatsächlich in der Klinik eingesetzt werden soll, wird uns wohl erst die Zukunft zeigen.  

Erkrankungsrisiko 

Allgemein bekannt ist schon seit längerer Zeit, dass MS häufiger Frauen betrifft als Männer. Dass sie die Diagnose meist im Alter von 20-40 Jahren erhalten und dass Bevölkerungen in Äquatornähe eine niedrigere Erkrankungsrate aufweisen, als weiter entfernte. Solche Informationen könnten prinzipiell verwendet werden, um vorab das Risiko einer MS-Erkrankung zu ermitteln. Doch diese Daten allein reichen nicht aus, um eine möglichst zuverlässige Aussage treffen zu können.  

Studien im Bereich der Genetik nutzen DNA-Sequenzen als Input für neuronale Netze, um das Erkrankungsrisiko genauer ermitteln zu können [6], [7]. KI wird auch bereits bei genomweiten Assoziationsstudien eingesetzt, um genetische Variationen in Verbindung mit dem Auftreten bestimmten Erkrankungen (wie z.B. MS) in Verbindung bringen zu können [8]. Erst kürzlich wurde (allerdings ohne KI) herausgefunden, dass die unterschiedliche Erkrankungsraten in Nord- und Südeuropa u.a. auf einen genetischen Vorteil im Bereich der Tierhaltung zurückzuführen wären [9]. Demzufolge hätten unsere Vorfahren weniger schwere akute Erkrankungen durch Erreger erleiden müssen, die von Tieren auf den Menschen übergesprungen sind – und als «Nebenwirkung» die MS-Erkrankung mit sich brachten. Weitere solcher genomweiten Assoziationen könnten mithilfe der KI möglicherweise schneller und umfassender erkannt werden. 

Die DNA-Sequenzierung selbst setzt allerdings eine kostenintensivere Laborarbeit voraus, die nach bisherigem Wissensstand nicht von einer KI ausgeführt wird. Eine DNA-Sequenzierung auf Kosten der Krankenkasse scheint bisher noch nicht in Sicht. Dennoch ist die Forschung auf diesem Gebiet ein wichtiger Baustein, um die Ursache der Erkrankung besser verstehen zu können. Und sogar, um z.B. das gleichzeitige Auftreten verschiedener Gen-Anomalien (Forschungsfeld der Genomics) in Kontext mit der MS sowie möglicher Auswirkungen auf den Krankheitszustand des Patienten zu bringen [10]. 

Biomarker 

Biomarker werden häufig im klinischen Bereich genutzt, um Hinweise auf vorliegende Krankheiten zu bekommen. Häufig werden Biomarker z.B. im Rahmen eines «Blutbildes» überprüft. Biomarker können prinzipiell auch in Speichel, Urin, Stuhl, Gehirn- & Rückenmarksflüssigkeit sowie Gewebe detektiert werden und Hinweise auf z.B. Stoffwechselstörungen liefern. Bei der Diagnose von MS wird bisher kein Blut- oder Urin-Biomarker herangezogen. Allerdings wird die Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit auf das Vorliegen von Antikörpern untersucht. 

Gerade bei Erkrankungen, bei denen wenig über Ursache und Zusammenhänge bekannt ist, wird in der Forschung u.a. an den «Omics» geforscht. Zum einen um ein besseres Verständnis der Erkrankung zu gewinnen. Zum anderen, um verlässliche Biomarker zu identifizieren, die später z.B. zu Diagnosezwecken oder zur Forschung zielgerichteter Medikamente eingesetzt werden können. Zu den «Omics» zählen z.B. «Genomics» (Erforschung sämtlicher DNA-Sequenzen des Genoms), «Proteomics» (Erforschung sämtliche Proteine im Körper) und «Metabolomics» (Erforschung sämtliche Stoffwechselprodukte im Körper).  

Im Hinblick auf die MS-Erkrankung wurden in verschiedenen Studien Auffälligkeiten bei den Omics entdeckt. Diese wurden in Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit, Blut- und Urinproben, Speichel, Tränenflüssigkeit sowie Hirngewebe gefunden [11], [12], [13], [14]. Dass die Analyse bestimmter Moleküle von Hirngewebe lebender Patienten im klinischen Bereich zukünftig eingesetzt wird, scheint weniger realistisch – und bleibt wohl auch zukünftig vorwiegend dem Forschungsbereich überlassen. Die Analyse von Blut-, Urin- und Speichelproben erscheint hingegen durchaus denkbar. Sogar die Analyse von Tränenflüssigkeit zeigt Auffälligkeiten bei MS-Erkrankten und könnte zukünftig möglicherweise anstelle der Analyse von Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit eingesetzt werden (ohne einen invasiven Eingriff wie die Lumbalpunktion durchführen zu müssen). 

Die KI könnte unterstützend eingesetzt werden, um letztendlich einen verlässlichen Biomarker zu identifizieren [15]. Allerdings müssten vorher sehr viele Blutparameter (wie z.B. Eisenwerte oder Blutgerinnungsfaktoren sowie viele andere) von Blutproben vieler Probanden (gesunde sowie MS-Erkrankte) ermittelt werden, bevor die KI eine sinnvolle Auswertung vornehmen kann. Wenn solche umfassenden Studien durchgeführt und verlässliche Biomarker in Körperflüssigkeiten wie z.B. Blut ermittelt werden würden, wäre der Einsatz der KI auch im klinischen Bereich (z.B. zu Diagnosezwecken) gut vorstellbar. Bisher wird KI allerdings hauptsächlich im Kontext der Bilderkennung eingesetzt (siehe nächstes Kapitel) und weniger im Bereich Biomarker-Screening von Körperflüssigkeiten. 

Zwischenfazit 

Künstliche Intelligenz (KI) bietet vielversprechende Möglichkeiten in der Medizin, auch bei Multipler Sklerose (MS). Sie kann Muster und Anomalien erkennen, um genetische Risiken und Biomarker zu identifizieren. Trotz ethischer Bedenken und regulatorischer Hürden könnte KI zukünftig Diagnostik und Behandlung unterstützen.  

Im zweiten Teil des Artikels wird es um spezifische Anwendungen wie Bilderkennung, Spracherkennung, Ganganalyse und die Entwicklung von Medizinprodukten gehen. Diese Technologien könnten die Überwachung und Behandlung von MS signifikant unterstützen, indem sie präzisere und schnellere Ergebnisse liefern. 

Referenzen 

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KI-generiertes Foto


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