Alles nur in meinem Kopf?

Wie Neurozentriertes Training Bewegungseinschränkungen verbessern kann

(Teil 3: Erfahrungsbericht von B. Scholl)

Anfang September starteten wir mit dem aKK (MS-Selbsthilfegruppe) eine mehrwöchige Trainingsserie mit neurozentriertem Training. In der ersten Einheit erwartete uns umfangreiches theoretisches Wissen. Der praktische Teil in dieser ersten Stunde bestand lediglich aus dem Zungenpendel und dem Zungenkreisen (siehe auch letzte Beitrag hier „Neuroathletik Teil 2“ ).

Foto: Visuelle Übung zum Training des Gesichtsfeldes: Man fixiert die kleinst lesbaren Buchstaben in der Blattmitte und versucht (ohne die Augen zu bewegen!!), die äußeren Buchstaben zu lesen. Wer diese nicht alle erkennen kann, hat zwangsläufig Mängel im Gleichgewichtssystem, das auch mit solch einer Übung trainiert werden kann.

Theorie bringt Verstehen – und erkennen, was ich für mein individuelles Defizit üben muss

Als uns in der nächsten Stunde wiederum viel Theorie erwartete, dämmerte mir allmählich, dass es sich hier nicht nur um irgendein Training handelt. Ziel ist hier vielmehr, bestimmte neuronale Areale zu stimulieren und deren Funktionen dafür zu nutzen, die gewünschten Ziele im Bewegungsapparat zu erreichen. Das ist eine komplexere Herangehensweise als die gewohnten und bekannten Formen von u. a. Physiotherapie.
Denn es geht im NZT nicht nur darum, einen bestimmten Bereich der physischen Aktivität zu bereichern. Ziel ist eine veränderte – komplexere – Sicht auf unsere Fähigkeit sich zu bewegen und im Zuge des Trainings Ziele zu definieren und zu erreichen. Das funktioniert gleichermaßen für den Leistungssportler wie auch für neurologisch geforderte Physiotherapie-Patienten.
Dabei wird das Rad nicht wirklich neu erfunden. Viele der Übungen sind aus anderen Disziplinen bekannt (Kampfsport, Logopädie, Yoga, Taiji/Qi Gong …). Was ich hier jedoch anders empfinde, ist, dass die Selbsteinschätzung eine große Rolle spielt. So ermunterte uns der Trainer Konstantin vor fast jeder Übung, die jeweilige physische Ausgangslage zu erfassen.
Für mich ist es eine große Herausforderung, diese Art, mit mir umzugehen, in meine Routinen zu integrieren. Aber wie bei vielen Veränderungen ist es einfach mal gut anzufangen. Ich muss ja nicht gleich ein täglich halbstündiges Programm in meinen ohnehin schon üppig gefüllten Tagesablauf integrieren.

Mein Fahrplan

Damit ich den Überblick behalte, habe ich mir einen „Fahrplan“ gemacht, also: Wo soll diese Reise hingehen? Ich komme mit so einer Zielvorgabe gut zurecht, ich habe ja nicht die Absicht, das in kürzester Zeit umzusetzen, das würde mir auch Stress machen und das tut einfach nicht gut.

Mein Plan für irgendwann einmal ist:

  • Vorbereitung
    • Zungenübungen, Summen, Gurgeln (siehe auch …)
    • Aktvierung der Schulter- und HWS-Muskulatur mit Schulterkreisen
    • Mobilisierung des Zwerchfells mit tiefer Bauchatmung. Die kann man mit dem Anheben der Arme bei der Einatmung unterstützen.
  • Feststellen: Wie ist meine Ausgangslage?
    • Entweder mit dem „Romberger Test“; den kenne ich in der Art von neurologischen Untersuchungen: Mit geschlossenen Füßen einfach „nur“ stehen und wahrnehmen wie es um die Aufrichtung und Stabilität steht (hat der Körper z. B. die Tendenz sich zu einer Seite zu neigen? Gibt es Sensibilitätsstörungen? Usw.). Stehe ich da stabil, bleibe ich in der Haltung mit geschlossenen Augen und wiederhole die Selbstbeobachtung.
oder
    • Rumpfvorbeuge: Hier identifiziere ich als Ausgangspunkt, auf welcher Höhe ich meine Beine berühren kann (Knie, Schienbein, Fußgelenke …)

      oder
    • Finger-zu-Nase: Mit geschlossenen Augen die Arme waagerecht ausbreiten und mit einem Zeigefinger die Nasenspitze berühren (nacheinander mit dem linken und rechten Zeigefinger, Reihenfolge ist unerheblich). Hier ist entscheidend, wie gut das klappt.
  • Lockern

    Mobilisierung des Körpers von unten nach oben. Zunächst den Körper in den Fußgelenken hin und her wiegen. Dann auf Höhe der Knie, dann auf Hüfthöhe, dann Taillenhöhe, Brustkorb, Schultern und zum Schluss nur den Kopf hin und her wiegen. Nur so weit bewegen, wie es geht und auch gut tut. Es reicht, den Körper zwei bis fünf Mal zu jeder Seite zu bewegen.
  • Üben
    Ich habe mir vorgenommen zunächst mehr mit visuellen Reizen zu arbeiten. Das wirkt sich gleichzeitig positiv auf das Gleichgewichtssystem aus!:
    • Augen bewegen sich an Linien (ähnlich wie z.B. bei einem „Spinnennetz“) und nur die Augen bewegen sich, der Kopf bewegt sich nicht
    • Augen fixieren ein bewegtes Ziel, z.B. einen Stift, der währenddesen hoch, runter, links, rechts, vor, zurück und diagonal bewegt wird.
    • Augen fixieren festes Ziel und ich bewege mich darauf zu. Ich suche mir einen Punkt, den ich mit den Augen erfasse und bewege mich darauf zu (völlig egal ob zu Fuß oder per Rolli).
Die Übung bekommt eine andere Qualität, wenn ich sie mit zur Seite geneigtem Kopf durchführe. Idealerweise einmal zu jeder Seite geneigt.
  • Abgleich mit der Ausgangslage

    Jetzt wird es spannend, denn jetzt wiederhole ich den Test vom Beginn und vergleiche, ob und was sich verändert hat.

Integration in den Alltag

Als der Plan dann stand, stellte ich fest, dass ich einiges schon in anderen Situationen bereits regelmäßig mache: Die Boxatmung beim Meditieren, Qi Gong und Taiji. Die Mobilisierung des Zwerchfells bei der Logopädie. Ebenso das Gurgeln; Zungenpendel und -kreisen passt zu meinen Übungsroutinen in der Logopädie.
Jetzt muss ich „nur noch“ eine zu mir passende Systematik finden, den Fokus auf das neurozentrierte Training zu integrieren.

Jetzt sind die Symptome bei jedem sehr individuell. Genauso verhält es sich ja auch mit den Therapieansätzen und jeweiligen Tagesabläufen. Ich denke, dass jede und jeder von uns die Möglichkeiten dieser Selbstbeobachtung und Trainings nutzen und Stück für Stück an den eigenen Tagesablauf anpassen kann.

Ich habe jetzt überwiegend visuelle Übungen beschrieben. Darüber hinaus gibt auch sensorische Übungen sowie die, die das Gleichgewicht noch spezieller schulen.

Fazit

Es ist durchaus möglich, dass es Übungen gibt, die die Ausgangslage nicht wie gewünscht verbessern (oder gar verschlechtern). Es kam zwar selten vor, aber es kam vor. Dann nicht den Kopf hängen lassen, sondern eine andere Übung ausprobieren. Das kann muss aber nicht sofort sein.

Es gibt weiterhin viel in meinem Körper zu entdecken und auszuprobieren. Über kurz oder lang werde ich mir sicher Fachliteratur mit praktischen Anleitungen zulegen und auch diesen Ansatz mit meinem Physiotherapeuten besprechen. Dann verändert sich hoffentlich die eine oder andere Baustelle in meinem Körper mit Hilfe meines Kopfes.

Ich finde es sehr schön, dass es keine festen Abläufe bei diesem Training gibt. Das erfordert allerdings Selbstwahrnehmung, Motivation und Eigenverantwortung. Positiv empfinde ich auch, dass ich auch „so nebenbei“ ein paar Dinge üben kann. So lässt sich das Zungenpendel z.B. gut an einer roten Ampel üben.


Wir hoffen, Ihnen hat dieser Erfahrungsbericht einer von MS Betroffenen aus dem ersten Kurs zu Neuro-Athletik gefallen.

Mehr kleine Übungsbeispiele z.B. hier… (in den Videos weiter unten!)

Wir hoffen auf die Weiterentwicklung der Nutzung gesundheitsorientierter Sport- und Bewegungsprogramme gerade auch für die Nicht-Leistungssportler unter uns ,-)

Vielleicht machen Sie nun beim Schlange stehen eine Atemübung, die Ihnen nicht nur die Wartezeit kürzer erscheinen lässt, sondern einen wirklichen Mehrwert für Ihr Sauerstoff- und Energiesystem hat; z.B. die 4×4-Atmung aus Teil 2 der hiermit endenden Serie über Neuro-Athletik und bleiben Sie weiterhin neugierig auf diesem Kanal…

Ihr Team von Life-SMS


© Foto:  aKK-Hildy (und die Abgebildeten) 

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Neuro-Athletik (Brain Based Movement): Erkenntnisse von Sportlern für Menschen mit MS nutzen (Teil 2)

Im letzten Beitrag „Therapie mit allen Sinnen: Neuro-Athletik (hirnbasiertes Training)“ haben wir erklärt, dass unser Gehirn Sinneswahrnehmungen aus vielen verschiedenen Kanälen benötigt (Hören, Sehen, Fühlen,…) , um die nächsten Schritte  (in Abhängigkeit von der Wahrnehmung der Sinnesreize im Umfeld, von der bestehenden physiologischen Situation im Körper, sowie von der Qualität der Verarbeitung dieser Reize durch das Gehirn) sicher bestimmen zu können. Dies bezieht sich sowohl auf die nächsten Handlungen (Flucht, Kampf, Ruhe) als auch darauf, wirkliche Schritte zu gehen.
Wenn nicht mehr all diese Sinneswahrnehmungen zum Gehirn durchdringen können (weil durch eine neurologische Ursache z.B. das Gefühl für eine Hand oder ein Bein eingeschränkt oder gar nicht mehr vorhanden ist), verliert das Gehirn an Orientierung und damit an Sicherheit, die nächsten Schritte zu planen – d.h. auch die nächsten motorischen Aktionen und damit haben wir nicht nur weniger Gefühl in der einen Hand/dem einen Bein sondern in Folge auch vielleicht weniger Motorik(-möglichkeiten) in dieser Hand/diesem Bein – können also weniger gut greifen/halten/schreiben oder schlechter den Fuß heben/gehen usw.
Solche Bewegungsdefizite wiederum binden auch geistige Ressourcen, und es kann ein Teufelskreis entstehen, der uns immer weniger agil werden lässt. Normales Training/Physiotherapie kann diesen Kreislauf nur unzureichend durchbrechen, wenn nicht auch ein Fokus auf die Sinneswahrnehmungen – und damit vor allem auf bestimmte Hirnfunktionen – gelenkt wird.
Auch muskuläre Defizite beginnen nämlich im Hirn (Muskeln sind nur die ausführenden „Dienstleister“ des Gehirns) und auch solche Defizite (und nicht nur kognitive) können auch vorrangig nur dort im Gehirn behoben werden: durch die ganzheitliche Integration von Augen, Gleichgewicht, Atmung und Bewegung…

Foto mit Darstellung eines sogenannten Homunculus
Der sogenannte Homunculus zeigt die Körperstellen, die die meiste Berührung erfahren bzw. am meisten benutzt werden (nämlich Hände, Lippen und Zunge). Diese verfügen auch im Hirn über die größten Areale.

“Training” ist sinnvoller und effizienter, wenn es dort stattfindet, wo Bewegung entsteht: im Gehirn.

Ziel ist es, durch Neuroathletik die Kommunikation zwischen Gehirn und Körper zu verbessern und damit auch die Bewegung, die Körperstabilität, das Gleichgewicht und vieles mehr (und so auch z.B. das Sturzrisiko zu verringern).

Da Bewegung aber nicht nur komplex ist sondern auch sehr individuell, kann man mit standardisierten Trainingsprogrammen leider nur begrenzt bessere Ergebnisse erzielen. 
Neurozentriertes Training dagegen sollte ganz individuell erfolgen und eignet sich besonders bei (z.B. durch MS bedingte) Einschränkungen. Neurozentriertes Training funktioniert daher auch für Geh-Eingeschränkte oder Menschen im Rollstuhl – und bringt nicht nur Sportler (und die Profis unter denen) zu mehr Leistung und Können.
Denn egal, was wir im Training oder in der Therapie tun, das Nervensystem ist immer beteiligt. Die Frage ist, wie bewusst und gezielt wir die neuronalen Aspekte einbeziehen.

Kommt es zu Lücken in der neuronalen Weiterleitung (z.B. durch auch nur einen eingeschränkten Sinneswahrnehmungskanal) – und damit zu einer nicht mehr verlässlichen Sicherheit für das Gehirn, was zu tun ist – reagiert der Körper z.B. mit Fehlhaltungen oder Verspannungen (z.B. im Schulter-Nacken-Kopf-Bereich). Genauso wie eine korrekte oder veränderte Körperhaltung hat z.B. auch die Kopfposition einen Einfluss z.B. auf das Gleichgewicht und umgekehrt.
Und jeder Mensch (ob Sportler oder nicht) braucht ein funktionierendes Gleichgewichtssystem. Gibt es hier Defizite, ergreift mein Gehirn vielleicht sogar weitere „Sicherheitsmaßnahmen“, um Überlastung zu vermeiden. Nicht nur die Muskeln verkrampfen, diese und der Mensch selbst sind evtl. schneller erschöpft, das Erinnerungsvermögen lässt nach usw.

Je besser aber die Kommunikation zwischen Umwelt, Gehirn und Körper funktioniert, desto geringer wird das Risiko für Verletzungen, Fatigue, degenerativen Abbau und viele andere Aspekte.

Sensorik kommt vor der Motorik

Das Gehirn folgt dem Muster „Sensorik vor Motorik“. Ungünstig, wenn man gerade in der Sensorik Defizite hat. Auch deshalb ist es für Menschen mit Multipler Sklerose gut, dass beim neurozentrierten Training (Neuro-Athletik) nicht die Muskeln, Sehnen/Bänder oder die Kondition trainiert werden. Stattdessen werden die verschiedenen Wahrnehmungsorgane trainiert – und damit z.B. das Gleichgewicht. Und dies viel effektiver als z.B. mit üblichem Gleichgewichtstraining.

Das gezielte Training der Seh- und Hörfähigkeit spielt hierbei eine sehr wichtige Rolle. 
Und zuvor noch das Atemtraining!!! Viele Menschen atmen zu flach – aufgrund von Stress, Bewegungsmangel oder einfach aus Gewohnheit. Den Organen steht dann nicht nur weniger Sauerstoff zur Verfügung, sondern je flacher die Atmung, desto mehr Stresshormone werden ausgeschüttet. Dies macht uns weniger leistungsfähig, eher energielos oder unruhig. Besser ist ein bewusster, tiefer Atemfluss, der nicht nur über das Zwerchfell (flacher Atemmuskel, der den Brustkorb auf Höhe der unteren Rippenbögen umspannt; vorstellbar wie eine Membran). Für gesunden Atem sollte zusätzlich auch die Rücken-, Nacken- und Bauchmuskulatur integriert sein. Dann spürt man den Atemfluss nicht nur im oberen Brustkorb oder unteren Bauch, sondern in beiden Zonen und auch an den Flanken und vielleicht sogar ein wenig im Rücken.
Solch eine vertiefte Atmung verhilft nicht nur zu mehr Energie im Alltag, sondern ist auch elementar bei der Neuro-Athletik, da wir über die Atmung das Autonome Nervensystem ansprechen und selektiv aktivieren können.
Deswegen beginnen die Übungsbeispiele auch mit dem Atmen bzw. erstmal Vorübungen dazu, um bestimmte Hirnnerven zu aktivieren, die die ausführende Bewegung der Muskulatur steuern.

Einsteigerübungen für zu Hause

Auch wenn die folgenden Übungen sich einfach anhören, überfordern Sie sich nicht. Beginnen Sie jeweils mit einigen Sekunden (solange es angenehm ist) und steigern Sie sich langsam; aber üben Sie mehrmals am Tag. Auch die hierfür benötigte Muskulatur muss langsam trainiert werden:
Summen
Summen trainiert mehr, als man denkt und kann richtig anstrengend werden.

Gurgeln
Auch Gurgeln wird anstrengend, sobald man es mal etwas länger als nach dem Zähne putzen macht. Und es ist enorm effektiv, denn es trainiert nicht nur die hintere Rachenmuskulatur (besonders wichtig bei Schnarchern).

Zungenübungen

a) Zungenpendel: Pendeln Sie mit Ihrer Zunge von Seite zu Seite im geschlossenen Mund. Solange, bis Sie spüren, dass Ihre Zunge ein Muskel ist, der nach einer Weile dann genug von der Anstrengung hat. Üben Sie auch dies mehrfach täglich.
Steigerung: Summen Sie beim Pendeln.


b) Zungenkreisen: Lassen Sie Ihre Zunge im geschlossenen Mund kreisen. So lange, bis es trotz Richtungswechsel unangenehm wird. Versuchen Sie auch hier, nach ein paar Tagen die Übungszeit zu verlängern. Nehmen Sie danach als Steigerung das Summen mit hinzu.  

Die Zunge liefert wahrscheinlich mehr sensorische Informationen ans Gehirn als der gesamte Rumpf. Wird sie stimuliert, aktiviert das wichtige motorische und sensorische Bereiche und Nerven im Stammhirn.
Tatsächlich dient die Zunge als effektive Schnittstelle, um Signale an das zentrale Nervensystem zu senden.
Die US-Arzneimittelbehörde hat 2021 sogar einen Neuromodulationsstimulator der Zunge zur Behandlung von Gangstörungen genehmigt. In einer Pilotstudie mit 20 Multiple-Sklerose-Patientinnen und -Patienten verstärkte ein solches sensorisches „Vorbahnen“ nämlich Übungen, die das Gangbild verbessern.
18 Studienteilnehmer erreichten bei Extensions- und Flexionsübungen ihrer Knie ein 30 Prozent höheres Drehmoment, wenn sie ihre Zunge an den Gaumen drückten. Erneut soll die Zunge motorische Gehirnareale aktivieren. »Bei Kraftanstrengungen pressen wir die Luft in der Lunge unwillkürlich zusammen – ähnlich einem Valsalva-Manöver«, sagt Neurowissenschaftler Stefan Schneider. Bei dieser Atemtechnik, die jeder von uns vom Druckausgleich im Flugzeug kennt, legt man die Zunge an den Gaumen und verschließt den Ausgang der Luftröhre, um durch Anspannung der Atemmuskulatur Druck aufzubauen. »Daraus lässt sich aber nicht folgern, dass vorherige Zungenübungen einen kausalen Effekt auf eine spätere Kraftanstrengung haben«, sagt der Kölner Sportmediziner Stefan Schneider.

4×4-Atmung

Tief durch die Nase einatmen (möglichst bis zum unteren Becken) und dabei bis 4 zählen.
Wenn die Bauchdecke maximal gewölbt ist, die Luft anhalten. Erneut von 1 bis 4 zählen.
Nun langsam während 4 Zähleinheiten über die Nase ausatmen.
Es folgt eine bewusste Atempause, während der wir wieder bis 4 zählen.
Erst danach wieder einatmen und von vorne beginnen.
Also immer im Muster: Einatmen über 4 Zähleinheiten, Atempause über 4 Zähleinheiten, Ausatmen über 4 Zähleinheiten, Atempause über 4 Zähleinheiten.
Mehrfach wiederholen; zu Beginn vielleicht nur ein paar Mal; später dann vielleicht bis zu 3 Minuten oder die Zähleinheiten langsam vergrößern (also jeweils bis 5 zählen, bis 6, 7 oder bei fortgeschrittenem Können sogar bis jeweils 8 zählen).


Dies waren ein paar einfache Übungen für den Einstieg zu Hause. Danach kann man in einem professionell angeleiteten Training weiterführende Übungen individuell an den eigenen Körper/das eigene Problem angepasst erarbeiten. Denn Neuroathletik ist so viel mehr als  Zungenkreisen, Blicksprünge und Augenliegestütz (zwei weitere der wichtigen Grundübungen).
Neuroathletik sollte herkömmliches Training nicht ersetzen, sondern integriert werden. Wenn durch Neuroathletiktraining zuerst das Nervensystem auf Hochtouren gebracht ist, ist auch das herkömmliche Training erfolgversprechender.

Fazit

Es müssen nicht immer komplizierte und komplexe Übungen sein. Viele der Übungen wirken anfangs ungewöhnlich und viele Trainierende sind überrascht, dass vermeintlich kleine Änderungen bei Routineübungen und alltäglichen Situationen zu so großen Verbesserungen führen. 
Durch ergänzendes neurozentriertes Training lassen sich unter anderem Haltung, Gangbild und Tremor weiter verbessern – zumindest kurzfristig. 
Natürlich müssen die Übungen regelmäßig gemacht werden, sonst sind die Effekte auch schnell wieder verschwunden. 
Deswegen übt man am besten unter Anleitung über einen längeren Zeitraum regelmäßig 1x (40-60 Minuten) pro Woche.
 Im Schnitt soll man zu Hause dann noch drei bis vier verschiedene Übungen täglich fünf- bis sechsmal durchführen. Das hört sich nach viel an, ist aber in wenigen Minuten pro Übungseinheit zu schaffen.

Nachtrag: Doch nur Placebo-Effekt?

Die Wirksamkeit von Neuroathletiktraining ist noch nicht ausreichend untersucht und bisher existieren keinerlei wissenschaftliche Studien, die bildgebend, physiologisch oder auf Basis von Neurotransmittern gegebenenfalls zu erwartende Trainingseffekte belegen.
Effekte können recht schnell kommen. Leider dauern sie nicht immer lange an. Deswegen ist ein ausschließlicher Einsatz von der Neuroathletik nicht ausreichend. Vielmehr unterstützt diese Methode positive Effekte des herkömmlichen Trainings auch in Form eines Warm-up und macht dieses deutlich effizienter… 
30 bis 40 Tage dauert es, bis sich das Nervensystem an neue Reize anpasst, wenn die Trainingsübung regelmäßig ausgeführt wird.
Trotzdem lohnt es sich, mit dem Üben anzufangen. Und da das Hirn verlässlichere Informationen bekommt, wenn es vom gesamten Körper auch über die Haut regelmäßig zuverlässige Informationen erhält, ist die wichtigste (aber nicht für jeden Menschen einfachste) „Übung“ diese: Massieren Sie möglichst den kompletten Körper mehrmals täglich. Lassen Sie sich oft von lieben Personen umarmen und streicheln. Berührung tut eben nicht nur der Seele gut, sondern stärkt über viele – oben leider nur kurz angerissene – komplexe Prozesse indirekt das Gleichgewicht und unsere Beweglichkeit.

Mehr kleine Übungsbeispiele folgen wahrscheinlich auch in einem späteren Beitrag hier mit dem Erfahrungsbericht aus dem ersten Neuro-Athletik-Kurs einer von MS Betroffenen.

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Ihr Team von Life-SMS


© Foto:  commons.wikimedia.org  

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Therapie mit allen Sinnen: Neuro-Athletik (hirnbasiertes Training) 

Neurozentriertes Training (NZT oder Neuro-Athletik) ist “Athletik für das Hirn und durch das Gehirn”. Trainingsziel ist zwar der ganze Körper, doch wird er vorrangig durch “Gehirntraining” angesteuert. Nein, nicht was einigen schon ein Begriff ist, Hirn-Jogging durch Sudoku und ähnliches. Sondern es werden gezielt die neurologischen Systeme der Wahrnehmung angesprochen…

Die klassischen 5 Sinne (Hören, Sehen, Tasten …) sind Formen der Wahrnehmung, die eine empfundene Tatsache bestätigen (Wasser läuft über meine Haut) – oder dementieren (es ist ein anderes Rinnsal oder gar keines, denn es ist nur das Gefühl, als ob). Unser Gehirn braucht zur  Überlebenssicherung, Gefahrenerkennung und die Vorhersage von Situationen in der Umwelt Informationen in Bezug auf die Lage und Stellung unseres Körpers zur bzw. in unserer Umgebung. Es braucht eine – möglichst vollständige – Orientierung um interagieren und – gegebenenfalls richtig – handeln zu können. Informationen für diese Orientierung bekommt es aber nicht nur über die – bewusste und unbewusste – Sinneswahrnehmung (Exterozeption = Außenwahrnehmung).

Propriozeption (Wahrnehmung der eigenen Körperteile, auch als Tiefensensibilität bezeichnet) liefert die Informationen aus der Bewegung selber (Stellung von Gelenken und deren Veränderung, Lage im Raum, Muskelspannung, Hautwiderstand durch – für obiges Beispiel „Wasser auf der Haut“ – z.B. schnell oder langsam hingleitendes Wasser/Blut/Schweiß etc.). 
Das Gehirn beachtet auch, wie die physiologischen Auslenkungen sind (Blutdruck, Puls, Atemfrequenz, Stoffwechsel, Verdauung) in Anbetracht der Umwelt (Interozeption = Wahrnehmungen aus dem eigenen Körperinneren). Wenn alle Informationen abgeglichen sind, kann es eine Prognose erstellen und eine ggf. daraus folgende motorische Umsetzung ansteuern (fliehen bei Wasserschwall; evtl. Kämpfen bei Verletzung durch Feind oder es ist alles in Ordnung, denn es ist nur Schweiß in Sommerhitze und eine Hängematte die bessere Wahl). 

Defizite haben weitreichende Folgen…

Besteht ein Informationsdefizit, kann dies in gewissem Umfang durch bestehende Systeme kompensiert werden (ich fühle es nicht, sehe aber häufiger hin). Es werden dafür aber permanent mehr und klarere Informationen gebraucht und gesucht. Dies bindet Ressourcen, die dann nicht mehr (oder zumindest nicht gleichzeitig) für scheinbar Nebensächlicheres zur Verfügung stehen – sei es motorischer Art (Beinmuskeln schwächeln etwa) oder z.B. kognitiver Art (Aufmerksamkeit und/oder Erinnerungsvermögen schwächeln z.B.). 

… lassen sich aber ausgleichen

Hat das Gehirn (durch z.B. defizitäre neurologische Erkrankungen wie MS) Lücken – und damit an Sicherheit verloren, können wir durch Neuro-Athletik diese neuronalen Funktionen des Gehirns gezielt stärken, bestehende Defizite eventuell effektiver kompensieren – oder sogar ganz verlorene Funktionen evtl. wieder aufbauen (wie z.B. nach einem Schlaganfall), wenn das Gehirn durch das neurozentrierte Training bei seinen Einschätzungen wieder an Sicherheit gewinnt.

Dann können neben einer besser ausführbaren motorischen Umsetzung (z.B. Fuß besser heben können) auch wieder Ressourcen freigegeben werden (Aufmerksamkeit steht wieder für Anderes zur Verfügung).  

Neuro-Athletik basiert also auf den Grundlagen der Neurologie und ist daher auch keine Zauberei, an die man glauben muss, damit es funktioniert. 

“Training” soll dort geschehen, wo Bewegung (bzw. evtl. Schmerzen; s.u.) entstehen: Im Gehirn; durch die ganzheitliche Integration von Augen, Gleichgewicht, Atmung und Bewegung…
Dabei möglichst viel „Neues“ (zurück-er)lernen und diese Informationen und Bewegungen wieder flüssig in den (unbewussten) Bewegungs-Alltag integrieren. 


In einem der folgenden Beiträge beschreiben wir einfache Übungen für den Einstieg zu Hause – zum Appetit machen z.B. für ein professionell angeleitetes Training.

Und später dann noch einen Erfahrungsbericht aus dem ersten Kurs einer von MS Betroffenen.
Bleiben Sie also neugierig in diesem Kanal.

So lange grüßt Sie

Ihr Team von Life-SMS


© Foto von Geetanjal Khanna auf Unsplash

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Durchtauchen – wie wir gelassen durch die Krise kommen

Ein Gastbeitrag für Life-SMS von Edda Wengler

Über die Autorin

Seit 2016 schreibt Edda Wengler unter dem Pseudonym „Felicitas Dorne“ für Life SMS.

Kurzbiographie: Nach einer glücklichen Kindheit in Mönchengladbach und Jahren der Wanderschaft landete sie in Wien, wo sie bis heute mit ihrer Familie lebt. Gegen alle Wetten schloss sie an der dortigen Universität das Studium der Publizistik, Kommunikationswissenschaft und Psychologie mit Auszeichnung ab. In jungen Jahren arbeitete sie als Hundesitterin und Kellnerin, Universitätstutorin, PR-Frau und Medizinjournalistin, bevor sie sich für eine Karriere in Marketing und Vertrieb in internationalen Konzernen entschied. Nach knapp 1400 Stunden berufsbegleitender Ausbildung unterstützt sie als fast fertige psychologische Beraterin KlientInnen mit und ohne MS, die ihre Probleme lösen, ihre Stärken entdecken und ihr Leben neu ausrichten wollen.


Durchtauchen

Wie wir gelassen durch die Krise kommen

[Hier gibt’s diesen Beitrag auch als pdf-Download….]

Leben mit Corona heißt Leben in der Warteschleife: Angesagt sind Homeoffice und Hamstern, pardon, Vorräte bis zum übernächsten Winter einlagern, statt Büro, Bewegungsfreiheit und Shoppingtouren. Leider kann uns keiner mit Sicherheit sagen, wann wir „back to new normal“ sein werden. Doch bis es soweit ist, könnten wir die Zeit der Krise nutzen, um unsere Seele zu stärken. Psychologische Beratung kann dabei helfen. Damit wir leichter durch Ungewissheit und Ängste, durch Lagerkoller, Fressanfälle und Scheidungswünsche durchtauchen, eventuell sogar mit derselben Kleidergröße. Und Ehering.

 

Ein Bild, das Wasser, draußen, Sport, fahrend enthält. Automatisch generierte Beschreibung
Foto: Jeremy Bishop on Unsplash

Meinungen und Maßnahmen von Experten aus Wissenschaft und Politik überholen sich in diesen Tagen gegenseitig. News von heute sind morgen längst Schnee von gestern. Verstand und Seele rennen keuchend hinterher, versuchen, alles einzuordnen und emotional zu verarbeiten. Plötzlich sind wir im falschen Film gelandet, ohne zu wissen, wann er enden wird.

Ängste und Ratlosigkeit machen sich breit, währenddessen wir tapfer versuchen, unser neues Leben zu stemmen. Treffen mit Verwandten und Freunden, der Besuch von Geschäften, Restaurants und Events, Fortbildung und Urlaub – alles erst mal abgesagt. Der unverzichtbare, wöchentliche Termin bei der Physiotherapeutin fällt ebenfalls flach. Das tut weh, buchstäblich. Stattdessen gewöhnen wir uns an Mundschutz, hochfrequentes Händewaschen samt rapider Hautalterung und Arbeit vom Küchentisch aus. Ganz ehrlich – all das kann schon einen kraftstrotzenden Gesunden überfordern, dafür braucht es keine Multiple Sklerose als Draufgabe.

Mit MS seelisch bestens gewappnet

Die gute Nachricht vorneweg: Als MS-Betroffene/r sind Sie Mitglied eines krisenerprobten Völkchens. Was in diesem Ausnahmezustand für Gesunde unbekanntes Land ist, kennen Sie längst. Im Idealfall kehrten Sie stabil und zuversichtlich von Ihrer beschwerlichen Reise zurück. Gesundheit ist ein kostbares Gut, das über Nacht zerbrechen kann? Diese schmerzliche Erfahrung mussten Sie typischerweise schon in jungen Jahren verarbeiten. Ungewissheit aushalten, etwa hinsichtlich des weiteren Krankheitsverlaufes, und trotzdem nicht vergessen im Hier und Jetzt zu leben? Sie wissen besser als ich, wovon ich wage zu reden. Das berühmte psychische Loch? Vermutlich waren Sie an diesem trostlosen, finsteren Ort, um so rasch wie möglich wieder herauszuklettern. Allein oder mit der Hilfe einer liebevollen Ehefrau oder eines mental starken Gefährten. Vielleicht mussten Sie sich von Ihrer Partnerschaft, Ihrem Arbeitsplatz oder Ihrem finanziellen Poster verabschieden? Die Chancen, dass Sie zumindest einen dieser Rückschläge verkraften mussten, bevor Sie zu neuen, glücklicheren Ufern aufbrechen konnten, stehen hoch. Während Sie diese vielfältigen Herausforderungen bewältigten, eigneten Sie sich gleichzeitig wertvolle neue Strategien und Fähigkeiten an, unbemerkt und nebenbei, die sich jetzt erneut abrufen lassen. Fazit: Menschen mit MS sind psychisch bestens gewappnet, herausfordernde Zeiten zu meistern. Sie sind Veteranen der Notsituation, Kriegerinnen und Kämpfer, kurz: echte Profis im Krisenmanagement.


Foto: Gerhard Wengler

Nicht mehr wir selbst

Dennoch. Ob mit oder ohne MS: Die Covid-19-Krise verändert uns. Unsere Wahrnehmung und unser Verhalten. Wir reagieren anders auf Irritationen von außen, sind weniger flexibel und weniger tolerant als im entspannten Normalzustand. Davon erzählen Paare, die sich zu ihrem eigenen Entsetzen wegen Kleinigkeiten in einem heftigen Streit wiederfinden. Wir beobachten es an Mitmenschen, die in Law-and-order-Manier knallhart jene anzeigen, die ihrer Meinung nach gegen behördliche Auflagen verstoßen, wie etwa der einsamen Raucher auf der Parkbank oder das Dreier-Grüppchen Jugendlicher auf der Straße. „Das Hauptsymptom der Krise ist Einengung. Alles ist fester und starrer. Wir hören ständig schlimme Nachrichten, und das macht etwas mit uns.“, erklärt die im Umgang mit Krisen erfahrene, derzeit in Wien tätige Lebensberaterin Gracia N. Grewe. „Wir lassen uns leichter verunsichern, sind weniger selbstbewusst und dünnhäutiger. Dadurch dringen auch unsere eigenen unangenehmen Verhaltensweisen leichter durch unseren seelischen Filter nach außen.“

Drohender Lagerkoller

Verschärft wird die seelische Einengung durch die räumliche. Statt morgens das Haus zu verlassen, sitzen viele von uns im Home-Office, eng auf eng mit unseren Liebsten, 24 Stunden täglich, von Montag bis Sonntag. Wir versuchen, uns auf die Telekonferenz zu konzentrieren, während der Partner nebenan lautstark telefoniert und die Kinder quengeln. Sich aus dem Weg zu gehen ist schwierig bis unmöglich. Verschärft durch den Platzmangel liegen die Nerven blank, können sich Spannungen leicht zu ernsthaften Streitigkeiten auswachsen.

Der Umgang mit der neuen Nähe ist umso schwieriger, je länger sie dauert. Helfen kann, sich den Mechanismus bewusst zu machen. Selbst mehr auf sein Verhalten zu achten, die sensiblen Antennen für sich und andere stärker auszufahren. Besonders wichtig ist, nicht jede kleine Bemerkung auf die Goldwaage zu legen – in einer Ausnahmesituation entschlüpft uns schon mal das eine oder andere unbedachte oder gereizte Wort. Für unseren Erste-Hilfe-Kasten: Auch wer seine bessere Hälfte aktuell kaum erträgt, und darauf brennt, die Scheidung einzureichen, sobald die erste Anwaltskanzlei wieder öffnet, übt sich besser in Geduld. (Natürlich nur, wenn keine Gewalt im Spiel ist.) Krisen sind keine verlässlichen Ratgeber, wenn es um weitreichende Entscheidungen geht.

Inzwischen gibt es eine lange Liste von Tipps und Tricks, die Dichte-Stress entschärfen und gegen Lagerkoller helfen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Sie noch nicht alles fünfzehnfach gelesen haben, finden Sie auch bei uns eine Toolbox mit garantiert selbst getesteten Maßnahmen (siehe weiter unten „Toolbox gegen die Krise“).

Mit der Angst konstruktiv umgehen

Die meisten von uns haben Angst. Oder Ängste, Mehrzahl. Unterschiedlich intensiv. Von mulmig bis Panik. Offen ausgesprochen oder entschieden weggeschoben. Angst um den Arbeitsplatz, um die Zukunft der Wirtschaft, davor, dass wir bald alle unter der Brücke schlafen müssen. Und vor „Big brother“, der gerade Morgenluft schnuppert.

Ganz vorn mit dabei: Angst vor Ansteckung, vor dem unsichtbaren Feind, der unsere geliebten Eltern oder Großeltern – zumindest – auf die Intensivstation befördern kann. Und uns Jüngere gleich mit, wenn wir Pech haben. Etwa, wenn wir angeschlagen sind oder wegen einer Autoimmunerkrankung wie MS unter Kortison oder Immunsuppressiva stehen. Machen wir uns nichts vor, für MS-PatientInnen ist es sinnvoll und gesund, in diesen Tagen lieber ein bisschen zu vorsichtig zu sein als allzu wagemutig.

Hamstern aus Panik

Angst wurde von der Evolution übrigens als Alarmsystem erfunden, um unser Leben zu schützen. Behandeln wir sie daher mit Respekt. Sie motiviert uns zu vernünftigem Verhalten, lässt uns kreativ werden und nach Lösungen suchen. Erst, wenn Angst in Panik umschlägt, wird es kritisch. Wenn sie uns lähmt statt anspornt, oder wenn sie uns trotz gut gefüllter Supermarkt-Regale zu überbordenden Hamsterkäufen treibt. Menschen mit frühkindlichen Mangelerfahrungen sind besonders anfällig dafür. Haben wir doch alle als Säuglinge gelernt, dass Nahrung nicht nur Sattsein bedeutet, sondern zusätzlich Wärme und Geborgenheit, Schutz und Zuwendung. Wer nie sicher sein konnte, dass „genug“ da war, reagiert auf befürchtete Versorgungsengpässe möglicherweise mit heftigen Ängsten. Auf der realen Ebene kann das gezielte, begrenzte Aufstocken von Vorräten also absolut Sinn machen, es beruhigt. Auf der Ebene der Psyche ist es wichtig, dass wir uns erlauben, die Befürchtung ernst zu nehmen. Wenn wir sie zulassen, dahinter schauen, offen aussprechen: „Ich habe Angst zu verhungern“, dann wird sie greifbarer. Sehen wir sie uns bei Tageslicht an, zerlegen sie in kleine Einzelteile und unterziehen sie einem Reality-Check. So lernen wir, mit Angst konstruktiv umzugehen. Und können uns überlegen, was uns alternativ zum Bunkern von Klopapier, Trockenhefe und Mehl das Gefühl von Kontrolle zurückgibt.

Essen gegen die Angst

Ein enger Verwandter des Hamsterns sind übrigens Fressattacken. Auslöser sind, anders als vermutet, weder Langeweile noch häufigeres Kochen. „Wir essen im Übermaß, wenn der Angstpegel hoch ist. Dahinter steht der verständliche Wunsch, gut für uns zu sorgen. Wer vermehrt zu Essen, Zigaretten, Alkohol greift, könnte sich fragen, womit er sein Bedürfnis nach Wärme, Kontakt und Zuwendung sonst noch befriedigen könnte.“, rät Expertin Gracia N. Grewe. Manchmal hilft es schon, einen Freund oder eine Kollegin anzurufen. Schließlich kann man auch am Telefon ein Schwätzchen halten und miteinander einen Kaffee – ohne Zigarette, ohne Sahnetorte – trinken.“

Sehnsucht nach Nähe

Als Herdentiere sehnen wir uns nach Kontakt und dem Gefühl der Verbundenheit. In Zeiten günstiger Handytarife, Skype und Zoom sollte sich das einrichten lassen, auch wenn wir Umarmungen, das freundschaftliche Schulterklopfen oder die “Wangenbussis” vermissen.

„Der Wert von Beziehungen wird uns wieder bewusster“, betont Lebensberaterin Grewe. „Wir kümmern uns mehr um andere, um Alte und Nachbarn, rufen lang vernachlässigte Freunde an, um zu fragen, wie es ihnen geht. Wir geben der Supermarkt-Kassiererin neuerdings Trinkgeld und nehmen die guten Dinge nicht mehr für selbstverständlich.“

Es heißt, in jeder Krise liegt eine Chance – ein Spruch, über den ich mich stets geärgert habe, weil ich ihn als billiges Heftpflaster von keinesfalls in der Krise steckenden Besserwissern empfunden habe. Aber wer weiß, vielleicht liegt ja doch ein Körnchen Wahrheit darin. Und vielleicht gelingt es uns ja, unsere gestärkten seelischen Abwehrkräfte, sprich Resilienz, und unsere neu entdeckte Achtsamkeit in die Normalität 2.0. hinüberzuretten. Denn das wäre es allemal wert, zusätzlich zum Ehering.

 

Foto: Louis Hansel on Unsplash


TOOLBOX GEGEN DIE KRISE

Schaffen Sie Strukturen und erfinden Sie neue Rituale

Beides gibt Halt und Stabilität:

  • Gerade, wenn sich alles Zuhause abspielt und verschwimmt – trennen Sie Arbeits- von Freizeiten.
  • Kochen Sie gemeinsam, eventuell auch mit Kindern.
  • Zelebrieren Sie eine Mahlzeit für die ganze Familie als Höhepunkt des Tages.

Reden Sie bewusst und achtsam miteinander

  • Erzählen Sie von sich, von Ihren Gedanken und Bedürfnissen.
  • Pflegen Sie eine Kultur des Fragens: Was geht dir durch den Kopf? Wie fühlst du dich? Wie war dein Tag? Was ist richtig gut gelaufen? Was nicht so? Was würdest du brauchen?

Entwickeln Sie Sensibilität für Grenzen

  • Respektieren Sie, dass Ihr/e PartnerIn zwar anwesend, aber nicht permanent ansprechbar oder verfügbar ist.
  • Sagen Sie klar, wenn und wie lange Sie selbst nicht gestört werden wollen.
  • Geben Sie auch Ihrem Schulkind die Möglichkeit, ungestört zu arbeiten und sich voll und ganz auf eine Sache zu konzentrieren. Dabei bitte auf Pausen achten und kleine Turnübungen einbauen, z.B. Hampelmann. Das fördert nicht zuletzt den Lernerfolg.
  • Bei beengten Wohnverhältnissen definieren Sie Bereiche und Zeitfenster für gewisse Tätigkeiten – am Küchentisch werden untertags die Arbeitsmaterialien ausgebreitet, das Schlafzimmer dient als Entspannungszone und Yoga-Studio und zur Not kann man immer noch aufs „stille Örtchen“ flüchten.
  • Beim Musikhören und TV sorgen Kopfhörer für Privatsphäre.

Halten Sie Mediendiät

  • Definieren Sie vertrauenswürdige Nachrichten-Quellen.
  • Begrenzen Sie die Zeiten des News-Surfens.
  • Schalten Sie nachts das Handy auf Flugmodus oder verbannen es aus dem Schlafzimmer.

Bleiben Sie in Bewegung

  • Im Idealfall planen Sie die tägliche Sport- oder Bewegungseinheit ein, das stärkt nicht nur das Immunsystem, sondern baut Stress ab und hebt die Stimmung.
  • Achten Sie darauf sich nicht zu überanstrengen und passen Sie Ihre Bewegungs- oder Sporteinheit Ihren körperlichen Fähigkeiten an.
  • Installieren Sie eine App, die Sie auf sympathische Weise zum Workout motiviert.
  • Yoga, Qi Gong, eine Runde auf dem Hometrainer, Übungen mit Kurzhanteln, Gummiband oder Gymnastikball sind in der Regel auch zuhause durchführbar.
  • Ärger und Frust lassen sich zur persönlichen Lieblingsmusik wunderbar wegtanzen, ob allein oder zu zweit, ob sinnlich oder ausgelassen.
  • Ein täglicher Spaziergang mit oder ohne Rollstuhl, gemeinsam oder bewusst allein macht den Kopf wieder frei.

Räumen Sie auf

Den Schreibtisch, Küchenschrank oder E-Mail-Account. Nutzen Sie die frei gewordene Zeit, einmal gründlich auszumisten. Trennen Sie sich von ungetragener Kleidung, Taschenbüchern, Kosmetikpröbchen aus zwei Jahrzehnten und der geerbten Brockhaus-Sammlung. Spätestens seit Marie Kondos Bestseller haben wir schwarz auf weiß, dass uns kaum etwas so viel frische Energie geben wie radikales Wegwerfen.


Foto: Dickens Sikazwe on Unsplash


Raus aus den alten Schuhen

Wer allein lebt, hat es jetzt besonders schwer. Isolation ist keine anregende Gesprächspartnerin. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich einen Ruck geben und aufraffen, jemanden anzurufen. Ja, heute noch. Ein erwachsenes Kind, einen alten Freund oder einfach den Menschen, der Ihnen als erstes spontan in den Sinn kommt. Der oder die Angerufene wird vielleicht überrascht sein und sich freuen. Falls nicht, was ich für unwahrscheinlich halte, rufen Sie einfach Nr. 2 auf Ihrer Liste an. Reden sie. Denn Reden hilft in der Krise. Reden hilft gegen Einsamkeit. Sie könnten auch eine Beratungshotline anrufen, oder sich bei einem Kontaktkreis melden. Oder sogar bei einem Verein, der sich mit Themen beschäftigt, die Sie einmal interessiert haben. Früher. Könnte man diese nicht wiederbeleben? Um selbst wieder ein bisschen mehr … zu leben? Mehr Freude und Energie zu spüren? Bitte beschäftigen Sie sich mit positiven Dingen, mit Tieren und Pflanzen, anregenden Büchern, Komödien, Kunst oder Musik. Und vergessen Sie nicht zu flirten, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Einfach, um nicht komplett aus der Übung zu kommen. Man weiß ja nie. Lassen Sie Schwarzseher, Angsthasen und Weltuntergangs-Propheten außen vor. Meiden Sie MS-Foren, in denen nur geklagt und gejammert wird, denn das schadet nicht nur Ihrer zarten Seele, sondern nachweislich Ihrem Immunsystem. Kultivieren Sie Ihren Optimismus bei jeder Gelegenheit, denn der lässt sich trainieren wie ein Muskel.

Noch eine Idee darf ich Ihnen mitgeben: Hätten Sie nicht Lust, ein Dankbarkeitstagebuch zu beginnen? Die Wissenschaft hat längst bewiesen, dass Schreiben seelischer Hausputz ist. Diese einfache Methode ist sogar antidepressiv wirksam. Gerade in der Krise tut es gut, sich schriftlich klar zu machen, woraus das kleine Glück besteht. Beantworten Sie sich selbst schriftlich (!) jeden Tag folgende Fragen: Was hat mich heute berührt? Was war schön? Für welche Tätigkeit, für welchen menschlichen Kontakt (auch am Telefon oder per Internet), welches kleine Geschenk des Tages bin ich heute dankbar? Notieren Sie täglich einige Zeilen; ich verspreche, dass sich nach einem Monat etwas verändert hat.

Ich zähle auf Sie. Alles Gute! 

Ihre

Edda Wengler


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Lebensstil-Maßnahmen und MS in der Übersicht: Vortrag des Allgemeinmediziners Dirk Lemke

Manchmal ist es sicherlich hilfreich, den Überblick über das Thema Lebensstilmaßnahmen bei der eigenverantwortlichen Behandlung der Multiplen Sklerose aus berufenem Munde dargelegt zu bekommen. Anlässlich der Konferenz für menschliche Medizin 2015 hat sich der Mediziner Dirk Lemke dieses Themas in einem ca. 40-minütigen Vortrag angenommen.

Hier geht es zum Trailer des Vortrags:

„Zur Bedeutung von Umweltfaktoren für die Entstehung/Therapie von chronischen Erkrankungen am Beispiel der MS“

Stichwörter aus dem Vortrag sind unter anderem: Pharmakologische Therapie und deren eingeschränkte Wirksamkeit, Sonne und Vitamin D, Schlaf, Sport und MS-Symptomkomplexe u.a. auch Depression und Kognition, Stress und Achtsamkeit, Ernährung und Noxen, ketogene Ernährung, gute Fette und Öle, Risikofaktor Getreide/Gluten, Darmpermeabilität und Verweise auf unser Vorbildprojekt OMS (Overcoming Multiple Sclerosis).

Schlussspurt in der Spendenperiode bis Ende April 2017

Sie wissen ja, lsms.info und life-sms.org leben ausschließlich von Ihren privaten Spenden und insofern nutzen wir diesen Vortrag sozusagen als Treibstoff für den Schlussspurt zur Erreichung der Spendenziele bei betterplace für 2017. In in der derzeitigen Spendenperiode (bis Ende April 2017) fehlen derzeit ca. 610 €. Aktuelle Zahlen gibt es hier!

Wir werden nach Erreichen der aktuellen Spendenziele diesen Vortrag allen Interessenten der Projekts Life-SMS/lsms in der Komplettversion hier auf dieser Webseite freischalten

Spenden Sie bitte jetzt schon einen beliebigen Geldbetrag für Life-SMS/lsms über betterplace

Als Dank erhalten Sie einen Download-Link für das komplette Vortragsvideo im mp4-Format zur persönlichen Nutzung oder auch zur Vorführung in Ihrer MS-Gruppe (wir bemühen uns den Link innerhalb von 24 Std. zuzusenden). Sie helfen uns und der wachsenden Gemeinschaft von kritischen MS-Patienten damit sehr.

Vorab vielen Dank.  Bleiben Sie gesund und uns treu!

Ihr und Euer

Life-SMS Team


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Life-SMS Team

Die zweite Chance: kostenloser Kurs zum Thema Mindfulness bei der Monash University ab 6.2.2017

Mindfulness for Wellbeing and Peak Performance

Wir hatten schon im letzten Jahr über das Angebot der Monash University und des Teams um den Allgemeinmediziner und “Mindfullness Coordinator” Professor Craig Hasselt und den klinischen Psychologen Dr. Richard Chambers berichtet, die Technik der Achtsamkeit einem breiten Publikum über einen Online-Kurs kostenlos zu vermitteln und zugänglich zu machen.

Der 6-wöchige Kurs wird nun ab dem 6.2. nochmals angeboten. Zur Anmeldung geht es hier:

https://www.futurelearn.com/courses/mindfulness-wellbeing-performance/

Einen guten Eindruck der Kursinhalte und der diskutierten Fragestellungen vermitteln auch die wöchentlichen Zusammenfassungen (Feedback-Videos) von Craig Hasselt und Richard Chambers, die ohne Anmeldung über youtube verfügbar sind. Als Beispiel hier die Rückblende zur ersten Woche:

Nach unserer eigenen Erfahrung lässt sich der Kurs auch zeitlich gut zu  bewältigen und ist extrem hilfreich. Er ist angereichert mit einer Fülle von Zusatzmaterialien und jedem Teilnehmer ist es selbst überlassen, inwieweit er in die wissenschaftlichen Grundlagen einsteigt.

Denjenigen „Followern“, die weniger anglophil orientiert sind, sei an dieser Stelle nochmals der Gastbeitrag:

Für Sie gelesen und gehört: MBSR – Die Kunst, das ganze Leben zu umarmen.

empfohlen.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine achtsame Zeit!

Ihr 

Life-SMS Team

 


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Für Sie gelesen und gehört: MBSR – Die Kunst, das ganze Leben zu umarmen.

„Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR)“ oder Achtsamkeitstechnik beschäftigte  uns  ja schon in den vorangegangen Beiträgen. Umso mehr freut es uns, dass eine unserer eifrigsten Autorinnen, Felicitas Dorne, eine ausführlich Rezension des u.a. Buchs und der zugehörigen CDs verfasst hat und ihre persönlichen Eindrücke und positiven Erfahrungen mit diesem Werk beschreibt. Da es sich hierbei um ein Training in Deutsch handelt, ist dieser Hinweis eine sehr willkommene Ergänzung der bisherigen Empfehlungen in englischer Sprache.

„MBSR – Die Kunst, das ganze Leben zu umarmen. Einübung von Stressbewältigung durch Achtsamkeit“ (mit 2 Hör-CDs) von Cornelia Löhmer und Rüdiger Standhardt, Klett-Cotta Fachbuch, 2014


Einübung von Stressbewältigung durch Achtsamkeit

Ein Gastbeitrag für Life-SMS von Felicitas Dorne [Oktober 2016]

Auf der Suche nach den besten Büchern zum Thema „Achtsamkeitsmeditation“ wurden zahlreiche Wünsche an uns herangetragen, die idealerweise ein einziges Buch erfüllen sollte:  einen (Online-) Kurs ersetzen oder zumindest ergänzen. Klar strukturiert, anschaulich illustriert, verständlich, motivierend und sorgfältig referenziert sollte es sein.  Und natürlich dem (wissenschaftlichen) Anspruch von Life-SMS genügen. Plus Bonusmaterial: Hör-CDs auf Deutsch, mit positiver Wortwahl und angenehmer Sprechstimme, zur Anleitung und sanften Begleitung………

Lesen Sie den vollständigen Beitrag auf lsms.info!


Buch und CDs sind auch in den Buchempfehlungen
der Akademie für menschliche Medizin
zur Multiplen Sklerose zu finden!


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Noch gut 14 Tage kostenlos: The connection – ein beeindruckender Film über die Verbindung von Geist und Körper

Superlativen sind immer gefährlich, aber im Fall dieser Dokumentation würde ich behaupten, dass es das Beste ist, was es über die enge Beziehung zwischen Geist und Körper und damit wissenschaftlich betrachtet über die Psychoneuroimmunologie in den letzten beiden Jahren veröffentlicht worden ist.

2016-11-01-17_34_26-nature-connectionIn dieser verrückten, geschäftigen, modernen Welt gesund zu bleiben ist nicht einfach

Für die Journalistin Shannon Harvey, wurde die Suche nach einer Lösung für dieses Problem sehr persönlich, als bei ihr eine Autoimmunerkrankung diagnostiziert wurde, die keine bekannte Ursache und angeblich unheilbar war. Nachdem ihr von ihrem Arzt eröffnet wurde, dass sie im Rollstuhl enden könnte, erkannte sie, dass sie selbst handeln musste. Dies inspirierte zu einer zehnjährigen Reise, bei der sie mehr als $ 30.000 für konventionelle und alternative Behandlungen verbrauchte, Tausende von wissenschaftlichen Papieren durchforstete und die Welt bereiste, um Dutzende von Pionieren der Gesundheitsforschung bei führenden Institutionen wie Harvard und Stanford zu interviewen.

Der Film ist ein Plädoyer für die Life-SMS-Methodik und den selbstverantwortlichen Umgang mit der Multiplen Sklerose, zumal auch unser Impulsgeber Prof. George Jelinek zu Wort kommt.

Hier geht’s direkt zum Film!

Also nutzen Sie die nächsten 2 Wochen und verstehen Sie mehr über die „Connection“. Den Film gibt es (zumindest in der Kaufversion) auch mit deutschen Untertiteln.

Wir wünschen Ihnen eine gesundmachende Erfahrung!


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[Foto: unsplash.com / Simon Forster]

Warum sich Mindfulness- oder Achtsamkeitstrainning lohnt!

Auf die positiven Effekte von “Mindfulness-Training” hatten wir ja schon im Rahmen der Information über den Online-Kurs bei der Monash University hingewiesen.

Mindfulness, “Selbstmitgefühl” und Wohlbefinden hängen eng zusammen:

Mit dem Achtsamkeitstraining übt man u.a. eine bestimmte und im allgemeinen eine unterschiedliche Haltung gegenüber sich selbst zu entwickeln. Dazu gehört freundlich, einfühlsam und mitfühlend gegenüber sich selbst zu werden. Ein sehr wichtiges Element der “Achtsamkeitstechnik”!

Wenn sich Anfänger zu sehr auf die Achtsamkeit konzentrieren und nicht sofort erfolgreich sind – nach dem Motto: ich kann meinen Geist nicht davon abhalten, umher zu wandern – werden sie sehr oft wütend auf sich selbst und extrem selbstkritisch, was das Problem aber nur noch verschlimmert. Die Haltung, die man stattdessen mit der Achtsamkeitstechnik kultiviert, bedeutet nicht nur achtsam zu werden und präsent zu sein, sondern gleichzeitig nicht reaktiv und wertend zu sein. Eine Art und Weise, die akzeptierend ist und Selbstmitgefühl ausdrückt.

2016-10-15-16_43_03-meditation-7-hd-photos-curated-by-adam-anthony-_-unsplash

Die Tatsache unsere eigenen Menschlichkeit zu akzeptieren und damit aufzuhören selbst auf uns einzuschlagen, ist ein wichtiger Schritt in der Reduzierung der Stressantwort auf innere und äußere Einflüsse. Wir können zwar sehr gut auf uns selbst einprügeln, bekommen wird es uns allerdings auf keinen Fall. Wenn wir dagegen mehr Selbstmitgefühl (eine Art Haltung der Güte zu uns selbst) entwickeln, wird es für uns einfacher mit den alltäglichen Belastungen umzugehen und mehr Toleranz und mehr Geduld für andere zu entwickeln. Wenn wir uns dagegen oft absichtlich selbstkritisch verhalten, hat dies die entgegengesetzte Wirkung. Das wütend auf uns selbst sein äußert sich in einer negativen Reaktion oder Haltung gegenüber anderen Menschen.

Eines der der häufigsten Missverständnisse über Achtsamkeit und Meditation ist:  

„Oh, das bedeutet über sich selbst nachzudenken“. Die Wahrheit ist eigentlich das Gegenteil davon. Wir denken fast ständig über uns selbst nach und die Achtsamkeit ist eine Möglichkeit, sich von diesem rein intern orientierten Denken und ständigen Planen zu lösen und in ein einer mitfühlenden Haltung die Gegenwart und das Jetzt zu akzeptieren und zu begreifen. Die Selbstabsorption, also eine egozentrisch Art von geistiger Aktivität, die für viele zur Standardhaltung (mind set) geworden ist, kann somit durch Achtsamkeit durchbrochen werden.

Auch aus Sicht der Neuroplastizität ist dieses ständige Üben einer neuen Haltung ein essentieller Schritt. Alles was wir üben oder kontinuierlich pflegen wird “hart verdrahtet” (durch die Schaffung neuer neuronaler Verbindungen) und das umfasst auch Dinge wie Achtsamkeit und Selbstbewusstsein, Sanftmut, Freundlichkeit sowie Mitgefühl für sich selbst und andere.

Praktizieren bedeutet also aktiv diese Fähigkeiten zu schaffen.

Mindfulness kann uns helfen, zu erkennen, dass wir in einer Art Standardeinstellung gefangen sind  und eröffnet uns Wege eine Umprogrammierung (das Lernen neuer Fähigkeiten) zu starten. Wir alle – ob erkrankt oder nicht – erfahren im Leben Leid und Unannehmlichkeiten. Das Problem ist die zusätzliche Selbstkritik (ich bin schuld), die dem Problem eine weitere Schicht Leid hinzufügt. Wenn wir stattdessen erkennen, dass dieser kritische Prozess genau jetzt bei uns abläuft und dass eine zusätzliche Stressantwort getriggert wird, können wir damit unsere Haltung in Bezug auf den Auslöser des Stresses  modifizieren.  Worüber wir hier sprechen ist das Gegenteil von Vermeidung. Es ist die Schaffung von Akzeptanz, Achtsamkeit und einem bewussten Umgang mit äußeren und inneren Stressoren.

Weil Geist und Körper so eng verbunden sind, erzeugt die ständige Aktivierung der Stressantwort, auch wenn wir sie gar nicht brauchen, einen Verschleiß in unserem biologischen System – dem System Mensch. Man spricht hierbei von der allostatischen Last – der Körper versucht ständig durch physiologische und psychologische Verhaltensänderungen die Stabilität beizubehalten. Kurzfristig ist eine solche Reaktion wünschenswert, bei chronischer Belastung führt dies unweigerlich zu Systemproblemen bis hin zum Systemversagen. Das Risiko für Autoimmunerkrankungen und kardiovaskuläre Probleme steigt immens, das ständige Ausschütten von Cortisol führt zu einer Ausdünnung der Knochen und viel schlimmer noch es schädigt das Gehirn.

Fazit

Mit der Achtsamkeitstechnik wurde eine Methode entwickelt, eine unangemessene Aktivierung der Stressantwort auszuschalten und die Höhe der allostatischen Last zu reduzieren. In Studien konnte eine Reduktion entzündlicher Vorgänge, eine Verbesserung der Immunabwehr und eine Reduktion von kardiovaskulären Problemen, aber interessanterweise auch Auswirkungen auf unsere DNA nachgewiesen werden. Ein hohes Stresslevel beschleunigt die Alterung auf DNA-Ebene und Achtsamkeitstraining ist in der Lage die genetische Reparatur zu verbessern und den Alterungsprozess zu verlangsamen.

Also werden Sie achtsam – es lohnt sich!


Ein gute, kostenlose App zum Mindfulness-Training ist zum Beispiel bei Smiling Mind zu finden: http://www.smilingmind.com.au/


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Foto: https://unsplash.com/@dingzeyuli

Yoga und MS – ein Erfahrungsbericht auf lsms.info

Keine Angst, wir erdreisten uns nicht die umfangreiche und schier grenzenlose Welt des Yogas bei lsms.info oder Life-SMS auszubreiten. Wir freuen uns aber sehr darüber, dass unsere Mitstreiterin aus dem expertnet und angehende Yogalehrerin Lina aus dem Raum Hamburg eigene Erfahrungen und wesentliche Elemente der gesundheitsfördernden Wirkungen von Yoga bei MS-Betroffenen in einem Erfahrungsbericht beschreibt.

Wichtig zu wissen, es gibt im Yoga mannigfaltige sehr unterschiedliche Stile, die anhand der persönlichen Situation und der eigenen Bewegungsmöglichkeiten auszuwählen sind. Gerade bei MS-Patienten mit mittleren bis stärkeren Bewegungseinschränkungen eignen sich die Stilrichtungen Yin Yoga und Yoga Nidra sehr gut.

Typische Yin Yoga Position

Im Yin Yoga wird auf kraftraubende Bewegungen verzichtet. Stattdessen werden einzelne Muskelgruppen und –ketten intensiv und über längere Zeiträume (3-5 min) meistens auf der Matte oder im Sitzen gedehnt. Damit wird insbesondere auch die Aktivität in den tieferen Gewebeschichten (z.B. den Faszien) und in der extrazellulären Matrix angeregt (Transport von Mikronährstoffen zu den Zellen und Entsorgung von Abfallstoffen aus den Zellen). Yoga Nidra ist eine rein meditative Yogaform, die in tiefer Entspannung im Liegen durch geführt wird.  Durch den stark meditativen Charakter der Übungen (sowohl im Yin Yoga als auch beim Yoga Nidra) wird ein „Anti-Stressantwort“ im Immunsystem ausgelöst. Eine Antistressantwort führt zu einer Beruhigung des Körpers, einem reduziertem Blutdruck, einer Reduktion der Stoffwechselrate und zu einer Änderung der Genauslese. Insbesondere die Gengruppen (Gen-Cluster), die für den Stoffwechsel der Zellkraftwerke (Mitochondrien), für die Insulinproduktion, für die Botenstoffe des Immunsystems und für die Zellalterung zuständig sind werden positiv in Richtung Entzündungshemmung beeinflusst.

Der springende Punkt dabei ist, dass diese Antistressanwort – zum Beispiel mit Blick auf das Immunsystem – schon bei der ersten „Übung“ ausgelöst wird. Die Antwort verfestigt sich durch regelmäßiges Training und wird nach und nach immer effektiver.

Wichtig: Durch Meditations- und Entspannungstechniken wird die Genauslese geändert, aus heutiger Sicht wahrscheinlich aber nicht die Gene selbst. Das heißt, eine regelmäßige Ausübung von Entspannungstechniken ist entscheidend für den Erfolg.

Aber, wie sagte Goethes Mephisto: „Grau, treuer Freund, ist alle Theorie…“ und insofern viel Vergnügen und erhellende Erkenntnisse in Linas

Erfahrungsbericht Yoga bei MS

und  bei den eigenen Übungen (es empfiehlt sich unbedingt die ersten Schritte in Begleitung einer erfahrenen Yogalehrerin oder eines Yogalehrers zu gehen).


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