Wie Atmung die Herzratenvariabilität verbessern kann
Die Herzfrequenz, also wie oft innerhalb eines Zeitintervalls das Herz schlägt, ändert sich normalerweise bei jedem Menschen fortlaufend. Auch wenn wir im Ruhezustand etwa 60 – 80 Schläge pro Minute haben, variiert das Zeitintervall zwischen zwei einzelnen Herzschlägen leicht. Diese Schwankungen nennt man Herzfrequenz‑Variabilität (HRV). Je größer die Bandbreite, in der die Herzfrequenz variiert, desto größer die HRV.
| Info: HRV-Messwerte HRV misst die Fähigkeit des Körpers, flexibel zwischen Anspannung und Entspannung zu wechseln. Die wichtigsten Werte sind RMSSD (Root Mean Square of Successive Differences / Quadratwurzel des mittleren quadratischen Unterschieds aufeinanderfolgender Herzschlagintervalle), SDNN ((Standard Deviation of NN intervals) und LF/HF-Ratio (Low Frequency / High Frequency Ratio). Hohe HRV bedeutet gute Selbstregulation; niedrige HRV weist auf Stress, Erschöpfung oder Krankheit hin. Besonders RMSSD ist der zentrale Gesundheitsindikator und zeigt im Verlauf sehr zuverlässig, wie gut der Körper regeneriert – oder überlastet ist. Eine typischer Wertebereich für den RMSSD ist 10 – 100 ms oder höher. Grundsätzlich gilt je höher, je besser. Werte unter 35 ms weisen auf erhöhten Stress und beginnende Erschöpfung hin. Allerdings sind RMSSD-Werte altersabhängig. Bei über 60jährigen sind Werte zwischen 15 und 30 ms nicht untypisch. Insofern ist also die individuelle Veränderung über die Zeit (Trend hin zu höheren Werten) aussagekräftiger als reine Vergleichswerte oder Normtabellen. Das macht HRV (besonders RMSSD) als Anpassungs- und Regenerationsindikator geeignet – auch für die Beurteilung, ob Übungen oder Lebensstiländerungen den Stresslevel positiv beeinflussen. Moderne Fitness-Uhren oder Wearables messen nachts die HRV und zeigen entweder einen RMSSD-Wert oder eine eigene Messskala für die HRV an. Siehe auch: HRV-Zahlen und das Alter – Was ist normal, was ist gut und was ist schlecht? |
Warum gibt es diese Schwankungen?
Unser autonomes Nervensystem (ANS) steuert unbewusst viele Körperfunktionen – darunter das Herz. Es besteht aus zwei „Gegenspielern“:
Dem Sympathikus (beschleunigt die Herzfrequenz für den „Kampf‑oder‑Flucht“-Modus. Er reguliert Körperfunktionen, die uns in körperliche Leistungsbereitschaft versetzen und den Verbrauch körperlicher Energiereserven zur Folge haben. Dem gegenüber steht der Parasympathikus (verlangsamt die Herzfrequenz für den „Verdauungs‑und‑Ruhe“-Modus; regt körperliche Regenerationsprozesse und den Aufbau von Energiereserven an).
Als Teil des vegetativen Nervensystems spielen sowohl Sympathikus als auch Parasympathikus eine wichtige Rolle für unser Wohlbefinden. Entscheidend ist jedoch, dass sich beide Anteile in Balance befinden. Nach einem fordernden Arbeitstag sollte deshalb ganz bewusst für Ruhe und Entspannung gesorgt werden.
Wenn dann beide Systeme flexibel zusammenarbeiten, entstehen kleine Unterschiede im Abstand der Herzschläge. Eine hohe HRV bedeutet, dass das ANS gut balanciert und anpassungsfähig ist. Eine niedrige HRV weist darauf hin, dass das System weniger flexibel ist – oft ein Zeichen von Stress, Erschöpfung, Schlafmangel oder weiteren gesundheitlichen Belastungen.
Studien konnten klar zeigen, dass Menschen mit höheren HRV-Werten Ablenkungen leichter ignorieren, Bedürfnisbefriedigung besser aufschieben und mit belastenden Situationen souveräner umgehen können. Sie geben selbst bei schwierigen Aufgaben nicht so schnell auf, auch wenn sie zunächst Rückschläge erleben oder kritische Kommentare ernten. Außerdem verfügen Menschen mit einer ausgeprägten HRV über eine deutlich höhere Willenskraft und es besteht ein Zusammenhang zwischen einer höheren HRV und besseren Denkleistungen, z.B. bei Führungsaufgaben.
Haben Menschen eine geringe HRV (z.B. auch aufgrund von Schlafmangel), stößt die Selbstregulation schneller an ihre Grenzen und es kommt häufiger zu Angst, Wut oder Depression.
Eine niedrige HRV wird jedoch auch mit Gesundheitsproblemen in Verbindung gebracht, wie zum Beispiel Bluthochdruck, Diabetes, Arthritis, MS, und weiteren. Eine aufs Alter bezogene unterdurchschnittliche HRV ist ein starker Indikator für zukünftige Gesundheitsprobleme bis hin zu einer erhöhten allgemeinen Mortalität.
Deshalb ist die HRV ein wichtiger Indikator für eine gesunde Regulationsfähigkeit des Menschen und ein physiologisches Maß für die Fähigkeit zur Selbstregulation – und man kann diese durch Training positiv beeinflussen!
Selbstregulation – einer der wichtigsten Aspekte von Resilienz
Resilienz ist die Fähigkeit, auf Stress, Herausforderungen oder Widrigkeiten angemessen zu reagieren und sich davon wieder rasch und gut zu erholen. Menschen mit hoher Resilienzfähigkeit können also das eigene Verhalten gut steuern und dadurch flexibel und angemessen auf unterschiedliche Situationen reagieren.
Selbstregulation ist also ein wichtiger Aspekt von Resilienz und die Fähigkeit zur Selbstregulation ist ganz eng mit der Herzratenvariabilität verknüpft. Daher haben wir mit der sogenannten „Herzkohärenz-Atmung“ einen effektiven Hebel, um unsere Resilienz nachhaltig zu steigern.
Kohärenz bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch „Gleichklang“ bzw. „Zusammenhalt“ und Herzkohärenz meint, dass Herz und Gehirn harmonisch zusammen agieren. In diesem Zustand haben wir also einen Gleichklang zwischen Atmung, Puls und Blutdruck.
Diese Herzkohärenz, die mit einem meist verlangsamten Atemrhythmus – einer „Herz-Atmung-Synchronisation“ – erreicht wird, lässt sich auch bildlich erkennen, denn sie zeichnet ein gleichmäßiges, sinuswellenförmiges Muster. Alle Körpersysteme profitieren dann vom gleichförmig schwingenden Rhythmus des Herzens.
Herzkohärenz-Übungen statt Entspannungsübungen?
Wenn es im (Arbeits-)Alltag, um die täglichen besonderen Herausforderungen geht, kann man meist nicht mittendrin auf die Vollbremse treten und lange Entspannungsübungen machen. Aber Zeit, tief durchzuatmen und eine schnelle Kohärenzübung zu machen, ist fast überall gegeben – auch mitten in der Teamsitzung, am Schreibtisch oder im Gespräch mit Kindern, die ihre Eltern gerne provozieren.
Denn man kann sein Herz selbst von einem „chaotischen“ in einen „kohärenten“ Zustand versetzen, indem man sich auf sein Herz konzentriert und sich ein angenehmes Gefühl in Erinnerung ruft. Im Unterschied zur Meditation (siehe auch: 10 Minuten 10 Tage – Meditation Challenge – ein Erfahrungsbericht | Life-SMS) braucht man nicht in einen Zustand der Gedankenleere zu kommen, sondern erinnert sich einfach an erfreuliche Situationen, in denen man angenehme Gefühle erlebt hat – dabei liegt gleichzeitig die Konzentration auf dem Herz.
Herzfokussiertes Atmen als Kohärenz-Basisübung:
Drei Schritte, mit denen man dem Herz und dem Gehirn die Möglichkeit gibt, in Übereinstimmung zu kommen:
1. Aufmerksamkeit nach innen lenken (mit geschlossenen oder offenen Augen)
Zweimal etwas langsamer und tiefer als gewöhnlich einatmen und bewusst bis zum Ende ausatmen, nach dem langsamen Ausatmen kurz pausieren, bis der Körper von sich aus nach dem nächsten Atemzug verlangt (das regt den Parasympathikus an und verlagert das System in Richtung Ruhe).
2. Aufmerksamkeit auf die Herzgegend, den Brustraum, richten = herzfokussiertes Atmen
Atem beobachten. Sich bildlich und sinnlich vorstellen, mit dem Herz („durch“ das Herz oder die zentrale Brustregion) zu atmen.
Assoziation: Das Einatmen liefert Sauerstoff und frische Energie, das Ausatmen bläst alles Überflüssige weg.
3. Atemzüge vertiefen, so dass sie länger werden; weiter „mit dem Herzen ein- und ausatmen“
Vorschlag: 5 Sekunden einatmen, 5 Sekunden ausatmen (oder in einem anderen angenehmen Rhythmus)
Aufmerksamkeit auf Wärme und Ausdehnung richten.
Sich die Ausbreitung von Wärme und Ausdehnung in der Brustregion vorstellen und fühlen (diese ist anfangs nur schwach ausgeprägt und wird mit Üben besser fühlbar).
Hilfestellung: Konzentration auf ein Gefühl der Dankbarkeit oder Liebe (an einen lieben Menschen oder ein geliebtes Tier denken oder sich an ein Glücksgefühl erinnern). Wenn ein Lächeln aufkommt, ist das ein Zeichen von Kohärenz.
Ca. eine Minute oder gerne länger.
Nach der Übung noch einen Moment nach innen spüren:
• Was hat sich verändert?
• Was fühle ich?
Das Nachspüren ist ein wichtiger Bestandteil. Denn es dauert einen Moment, bis das innere Erleben im Gehirn angekommen und verarbeitet ist. Gönnen wir uns also noch ein paar weitere Sekunden im Wahrnehmen…
Die Übung dauert nur wenige Minuten und wirkt umso schneller und besser, je regelmäßiger man sie anwendet; am effektivsten mehrmals täglich (nach dem Aufwachen, vor dem Einschlafen, aber auch tagsüber zwischendurch).
Auswirkungen des Herzkohärenz-Trainings:
Herzfokussiertes Atmen – ein kraftvolles und effektives Werkzeug zur Selbstregulation
Wenn Sie Herzfokussiertes Atmen praktizieren, verändert sich also das Muster in Ihrem Herzschlag, von inkohärent zu kohärent.
Und Sie können die Veränderungen in Ihrem Herzschlagmuster sogar auf entsprechenden Wearables (Smartwatches, Brustgurte) sehen. Besonders wirksam ist die Technik in Situationen, in denen man Stress (oder Angst, Frustration, Verunsicherung, Wut/Zorn) aufkommen spürt und eine Eskalation negativer Gefühle verhindern sollte. Aber auch wenn die Stressreaktion in vollem Gange ist, kann man damit wieder inneres Gleichgewicht erlangen.
Einige Effekte der Herzkohärenz sind sofort spürbar: Der Energieverbrauch sinkt, der Blutdruck sinkt, Müdigkeit nimmt ab.
Es gibt auch einen hormonellen Effekt, der Stunden anhält: Das Stresshormon Cortisol sinkt; Stress wird als weniger belastend empfunden.
Das Wachstumshormon DHEA steigt (gilt als lebensverlängerndes Anti-Aging-Hormon, da es unsere Zellen auf Energiesparen einstellt und vor Energievergeudung schützt).
Nach 7 bis 10 Tagen täglicher Übung erleben sich die Übenden schon als deutlich emotional stabiler, gelassener und stressresistenter, die Resilienzfähigkeit steigt.
Ab 2 Wochen regelmäßiger Übung kann man mehr Intuition, bessere Konzentration und höhere Kreativität erleben.
Aber auch Alterungsprozesse verlaufen langsamer, die Immunabwehr steigt, und sogar Ängste und Panikattacken, ebenso wie Depressionen lassen sich wirksam behandeln.
Forscher konnten nachweisen, dass schon die Erinnerung an ein angenehmes Gefühl schnell den Übergang von einem unruhigen Herzschlag zur Kohärenz auslösen kann. Das emotionale Gehirn erkennt dies und reagiert darauf, indem es die Kohärenz des Herzschlags verstärkt. Diese positive Rückkopplung stabilisiert das autonome Nervensystem, also das Gleichgewicht zwischen Sympathikus (Beschleuniger, Aktivator) und Parasympathikus (Bremse, Beruhiger). Der Gleichgewichtszustand zwischen diesen beiden – weder Sympathikus-dominiert (Anspannung; Leistung bis hin zu Stress) noch Parasympathikus-dominiert (Entspannung, Regeneration) – bedeutet einen gesunden Zustand hoher Leistungsfähigkeit, um sowohl auf die kognitiven Funktionen des Gehirns als auch auf Intuition und Kreativität zuzugreifen. Außerdem arbeiten alle Organsysteme und das Gehirn in optimaler Art und Weise zusammen. In diesem Zustand können die inneren „Akkus“ wieder aufgeladen werden. Wissenschaftler haben bei fernöstlichen Praktiken (vor allem des Buddhismus) festgestellt, dass einfache Atemübungen in Kombination mit Gefühlen wie Wertschätzung, Mitgefühl und Dankbarkeit genau jenen Kohärenz-Zustand hervorrufen.
Relevanz der HRV bei Multipler Sklerose (MS)
Bei folgenden Aspekten einer MS kommt die HRV besonders positiv ins Spiel:
• Kognitive Beeinträchtigungen
Die Denkleistung des Gehirns ist am effektivsten, wenn die Körperfunktionen in Kohärenz sind.
• Müdigkeit und Erschöpfung
Fatigue ist eines der häufigsten Symptome bei MS. Studien zeigen, dass niedrige HRV-Werte mit stärkerer Müdigkeit korrelieren. Durch regelmäßiges HRV‑Tracking lässt sich erkennen, WANN der Körper wirklich (und nicht „nur“ gefühlt) besonders belastet ist und ein Mehr an Ruhe braucht.
• Stressmanagement
Psychischer Stress kann MS‑Schübe begünstigen bzw. Schübe oder die MS verstärken. Da Stress die HRV senkt, kann ein kontinuierliches HRV‑Monitoring helfen, stressreiche Phasen frühzeitig zu erkennen und gezielt Gegenmaßnahmen (Entspannung, Atemübungen) einzuleiten.
• Autonome Dysfunktion
Mit MS kann das autonome Nervensystem (ANS) sehr gestört sein. Das kann zu Herzrasen, Blutdruckschwankungen oder Schwindel führen. Eine ungesund veränderte (starre) HRV kann solche Dysfunktionen sichtbar machen, um sie frühzeitiger zu behandeln.
• Therapie‑Monitoring
Medikamente, Physiotherapie oder körperliche Aktivität beeinflussen das ANS. Veränderungen in der HRV können Hinweise geben, ob eine Behandlung positiv wirkt oder Nebenwirkungen hat.
Praktische Tipps für Betroffene mit MS
1 Regelmäßiges Messen – Nutzen Sie ein zuverlässiges Gerät (z. B. Brustgurt oder eine zertifizierte Smartwatch) und messen Sie den HRV-Basiswert immer zur gleichen Tageszeit, idealerweise morgens nach dem Aufwachen. Dann zusätzlich nach individuellen Belastungen.
2 Langfristige Trends beobachten – Auch einzelne Basiswerte können stark schwanken. Hier sind die langfristigen Entwicklungen (Wochen/Monate) wichtig. Auch bei den Belastungswerten sollten Sie längerfristige Entwicklungen beobachten.
3 Zusammen mit dem Arzt besprechen – Zeigen Sie Ihrem interessierten Neurologen die HRV‑Kurven. Sie können zusätzliche Informationen über das Krankheitsbild liefern.
4 Lifestyle‑Anpassungen – Ausreichend Schlaf, moderate Bewegung, gesunde Ernährung und Entspannungstechniken (Integration von Atmung, Meditation und Entspannung, z.B. progressive Muskelentspannung) können die HRV verbessern und damit das allgemeine Befinden stärken.
Fazit
Die Herzratenvariabilität zeigt, wie gut unser autonomes Nervensystem zwischen Anspannung und Entspannung wechseln kann – und sie lässt sich durch gezielte Atmung positiv beeinflussen. Herzkohärenz-Übungen stärken Selbstregulation, Resilienz und emotionale Stabilität und wirken sich unmittelbar auf Stress, Energie und Wohlbefinden aus. Regelmäßig angewendet fördern sie geistige Leistungsfähigkeit, innere Balance und langfristige Gesundheit – besonders auch bei chronischen Belastungen wie Multipler Sklerose.
Im nächsten Newsfeed gibt es hier als Erfahrungsbericht ein paar Übungen für das Vegetativum, für ein sich beruhigendes Nervensystem; zur Selbstregulation eines z.B. stressbedingten Erregungszustandes, der gerade im Alltag mit MS noch schneller entstehen kann – aber gerade bei dieser Erkrankung so besonders kontraproduktiv ist.
Bleiben Sie uns also treu.
Ihr Team von Life-SMS
Bildquelle
Generiert durch Google Gemini (Flash 2.5), 15.11.2025
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