Feldenkrais-Training bei Multipler Sklerose – Was sagt die Wissenschaft?

Feldenkrais-Training basiert auf der Annahme, dass ungelöste oder unerkannte Bewegungsprobleme die Ursache für viele Beschwerden sind. Durch gezielte Berührungen und Übungen sollen bestimmte Muskeln entspannt und andere gestärkt werden. Dadurch sollen die Bewegungen verbessert und die Wahrnehmung geschärft werden. Das Feldenkrais-Training wird seit über 30 Jahren an Menschen mit neurologischen Erkrankungen wie Multipler Sklerose angewendet. Zahlreiche Studien belegen die positiven Auswirkungen des Trainings auf die Erkrankungssymptome. So konnte festgestellt werden, dass das Training zu einer Verbesserung der Koordination, Balance und Konzentration führt sowie zur Schmerzreduktion beitragen kann. Überdies kann durch das Training auch die Lebensqualität der Betroffenen deutlich erhöht werden.

Während in den letzten Beiträgen die Feldenkrais-Lehrerin Eva Weißmann ihre ganz persönliche Sicht auf das Thema „MS und Feldenkrais“ ausführlich geschildert hat, fassen wir heute den wissenschaftlichen Stand in gebotener Kürze zusammen.

Feldenkrais-Training; © SFV Schweizerischer Feldenkrais Verband

Wie kann Feldenkrais-Training helfen?

Feldenkrais-Training kann bei Multipler Sklerose verschiedene positive Wirkungen haben. Durch das Training können die Betroffenen lernen, ihren Körper besser zu koordinieren und die Beweglichkeit zu verbessern. Dadurch können sie ihre alltäglichen Aktivitäten besser ausführen und ihr Wohlbefinden erhöhen.

Feldenkrais-Training ist eine gleichzeitig körperliche und mentale Methode, die dazu beiträgt, die Mobilität und Selbstwirksamkeit von Menschen mit MS zu verbessern. Die positive Wirkung des Feldenkrais-Trainings besteht in der Verbesserung der Selbstregulierungskompetenz des Gehirns sowie in der Verbesserung der Körperwahrnehmung und -koordination. Dadurch wird die Lebensqualität von Menschen mit MS deutlich verbessert und es gibt Hinweise darauf, dass das Training auch dazu beiträgt, die Progression der Erkrankung zu verlangsamen.

Die Studienlage

In den letzten Jahren wurden verschieden Studien durchgeführt, um die Wirkung der Feldenkrais-Methode (FM) bei neurologischen Erkrankungen zu untersuchen. Einige Studien haben Hinweise auf eine Verbesserung der motorischen Funktionen sowie auf eine Verbesserung der Körperwahrnehmung, des subjektiven Wohlbefindens und eine Schmerzreduktion nach Behandlung mit der Feldenkrais-Methode ergeben. Andere Studien haben jedoch keine oder nur geringe Auswirkungen auf die motorischen Funktionen oder das subjektive Wohlbefinden festgestellt.

Einige Einschränkungen müssen generell bei der Interpretation dieser Ergebnisse beachtet werden. Zunächst ist die Anzahl und Qualität der verfügbaren Studien begrenzt und es besteht ein erhöhtes Risiko von Verzerrung durch kleine Stichproben und nicht-standardisierte Methoden. Zweitens sind die meisten Studien nur für kurze Zeiträume durchgeführt worden, sodass keine Aussagen über längerfristige Auswirkungen gemacht werden können. Drittens gibt es viele Variablen, die die Wirksamkeit der Feldenkrais-Methode beeinflussen können, aber bisher nicht ausreichend untersucht wurden. An dieser Stelle schlägt die Erfahrungsmedizin und das therapeutische Wissen die heutige Studienlage um Längen.

Eine gute Zusammenfassung des heutigen Forschungsstandes bietet dennoch der 2020 erschienene Review von Stephens und Hillier [1].

In diesem Artikel wurden experimentelle Beweise für die Wirksamkeit der Feldenkrais-Methode bei der Verbesserung der Leistungsfähigkeit in den Bereichen allgemeine Funktion, Mobilität und Gleichgewicht sowie bei der Schmerzbehandlung untersucht. Die Autoren konzentrierten sich in erster Linie auf die Ergebnisse von randomisierten Kontrollstudien (RCT), geben aber auch einen Überblick über die Forschung, die die Wirksamkeit der FM untersucht hat, und identifizieren Bereiche, in denen nur wenig Forschung durchgeführt wurde.

Sie fassen wie folgt zusammen:

„Es gibt inzwischen mehr als 30 RCTs, die die FM in verschiedenen Populationen und mit unterschiedlichen Ergebnismessungen untersucht haben. Hillier und Worley (2015) [2] kamen zu dem Schluss, dass es hinreichend starke und konsistente Belege dafür gibt, dass die FM Vorteile bringt, insbesondere auf funktioneller Ebene (z. B. Gleichgewicht) und möglicherweise eine Symptomverbesserung in Form von reduzierten Schmerzen und erhöhtem Wohlempfinden. Betrachtet man einige der gemessenen Ergebnisse, so kann man zu dem Schluss kommen, dass die Vorteile durch Lernprozesse vermittelt werden, die das Körperbewusstsein, die Aufmerksamkeit und das Selbstbild nutzen und verbessern.“

Warum sich für ein Feldenkrais-Training bei MS entscheiden?

Grundsätzlich hat sich gezeigt, dass diese Art des Trainings positive Wirkungen auf den Körper und den Geist hat. So können einfache Bewegungsübungen helfen, die Kraft und Ausdauer zu verbessern und gleichzeitig die Konzentration und Koordination zu erhöhen. Durch die geringe Intensität der Übungen besteht nicht das Risiko, dass die Übenden überfordert werden oder sich in der Beweglichkeit verschlechtern. Erfahrene Feldenkrais-Therapeuten und -Therapeutinnen können zudem individuelle Programme entwerfen, um die speziellen Bedürfnisse des Patienten/der Patientin zu berücksichtigen.

Ein weiteres wichtiges Merkmal des Feldenkrais-Trainings ist die Fokussierung auf die Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. Die Übungen fördern nicht nur die Muskelarbeit, sondern auch das Verständnis der eigenen Körperwahrnehmung. Dadurch wird es den Patienten ermöglicht, ihr volles Potenzial an Beweglichkeit und Kraft zu entfalten, ohne sich überzustrapazieren oder Schmerzen zu entwickeln.

Zu den häufigsten positiven Effekten der Feldenkrais-Methode gehören:

  • Ein Gefühl der Entspannung
  • Mehr Beweglichkeit und Kraft
  • Steigerung der Konzentration und Aufmerksamkeit
  • Verbesserte Koordination und Balance
  • Stressreduktion

FAZIT

Insgesamt bietet Feldenkrais-Training MS-Patienten und MS-Patientinnen also eine Reihe von Vorteilen: Verbesserte Funktion der Muskulatur, besseres Verständnis der eigen Körperwahrnehmung sowie emotionale Entlastung und Stress- und Schmerzreduktion. Wie bei jedem Training können auch beim Feldenkrais-Training für Menschen mit MS individuell unterschiedliche Ergebnisse erzielt werden. Diese hängen von vielen Faktoren ab, unter anderem von der Art des Trainings, dem Zeitaufwand und dem persönlichen Ziel. In jedem Fall ist es ratsam, vor Beginn eines Trainingsprogramms Rücksprache mit erfahrenen Feldenkrais-Therapeuten/-Therapeutinnen zu halten und gemeinsam Übungen durchzuführen, um hierüber ein persönliches Trainingsprogramm zu entwickeln.

Ein möglicher Risikofaktor beim Feldenkrais-Training sind fehlerhafte Übungsabläufe. Dies kann auch zu schwerwiegenden Folgen führen, wie etwa einer Verletzung. Zudem können falsch ausgeführte Bewegungen zu unerwünschten Spannungs- und Schmerzmustern führen. Auch eine Verkrampfung von Muskeln oder Gelenken kann die Folge sein. Es ist daher wichtig, das Training unter der Anleitung eines geschulten Feldenkrais-Practitioners zu absolvieren, um solche Konsequenzen zu vermeiden. Der Practitioner kann den Übenden helfen, die richtigen Bewegungsmuster zu erlernen, indem er Variationen und Modifikationen vornimmt und sicherstellt, dass keine Fehler gemacht werden. Dies wird so lange fortgeführt, bis Betroffene in der Lage sind, die Übungsabfolgen eigenständig und ohne Fehler auszuführen.

Referenzen

[1] Stephens, J., & Hillier, S. (2020). Evidence for the Effectiveness of the Feldenkrais Method, Kinesiology Review, 9(3), 228-235. Retrieved Jan 14, 2023, from https://journals.humankinetics.com/view/journals/krj/9/3/article-p228.xml

[2] Hillier, S., & Worley, A. (2015). The effectiveness of the feldenkrais method: a systematic review of the evidence. Evidence-based complementary and alternative medicine : eCAM, 2015, 752160. https://doi.org/10.1155/2015/752160

Gastbeitrag Eva Weißmann

Den Gastbeitrag „Die Feldenkrais-Methode für Menschen mit Multiple Sklerose (mit Übungen)“ aus dem Jahr 2022 finden Sie im Downloadbereich!


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