von Kirsten
Vermutlich hatten Sie schon mal ein Gewusel im Kopf. Da gibt man alles und dennoch drehen sich die Informationen im Hirn nur im Kreis. Kein klarer Gedanke in Sicht bzw. am Ende der Nervenbahnen und schon ist man trotz höchster Konzentration völlig unkonzentriert und gestresst. Einfach zu viel Traffic im Kopf. Und selbst das gut eingebläute Einmaleins ist nicht mehr so einfach abrufbar. Was also tun?
Erst mal Pause machen!
Sie haben dafür keine Zeit? – Ja, genau dann sollten Sie sich möglichst eine Pause gönnen, den Gang etwas herunterschalten! Ärgern Sie sich nicht über Ihre eingeschränkte Leistungsfähigkeit, denn das führt nur zu noch mehr Stress. Und dieser führt wiederum zu mehr Traffic im Hirn und vermindert dadurch zusätzlich die Denkfähigkeit. Ein Teufelskreis.
Stress und seine Bedeutung für die Hirnaktivität
Da sollte man meinen, dass Stress die Aufmerksamkeit erhöht. Stellen Sie sich vor, da steht ein Säbelzahntiger vor Ihnen und Sie müssen sehr schnell eine Entscheidung treffen – kämpfen oder weglaufen. Diese Entscheidung muss blitzschnell stattfinden, ihre Hirnzellen müssen superschnell arbeiten und eine Aktion einleiten. Für diesen Prozess sind bestimmte Neurotransmitter verantwortlich, die besonders in Stresssituationen getriggert werden. Und diese ermöglichen eine Beschleunigung der Informationsverarbeitung. Aber ist das auch wirklich immer der Fall?
Sie erinnern sich vielleicht noch an Prüfungssituationen in Ihrem Leben, z.B. in Ihrer Schulzeit? Da hat Ihr Hirn vermutlich auf Höchstleistung gearbeitet und Sie waren danach erst mal erschöpft – eben weil diese Höchstleistung viel Energie kostet. Stellen Sie sich vor, Sie hätten direkt danach eine weitere Prüfung ablegen müssen. Hätten Sie dafür noch die nötige Energie gehabt? Und hätten Ihre Hirnzellen noch so gut funktioniert wie in dieser ersten Prüfung? Oder hätte Ihnen eine Pause vor der zweiten Prüfung doch noch einigen Vorteil gebracht?
Sie merken, dass Stress in Maßen (!) durchaus die kognitiven Fähigkeiten steigert. Langfristig ist er allerdings gerade für ergebnisorientiertes Denken äusserst kontraproduktiv [1]. Denn stressende Neurotransmitter wie Cortisol und Noradrenalin blockieren gemeinsam Hirnregionen, die für zielgerichtetes Handeln wichtig sind [2]. Gerade Bereiche, in denen u.a. Gedächtnisinhalte gespeichert werden (Präfrontalcortex) bzw. Gedächtnisinhalte vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis überführt werden (Hippocampus), leiden unter Stresseinwirkung, sodass das Speichern und Abrufen von Informationen nur schlecht möglich ist [3]. Ein weiterer Effekt von chronischem Stress ist ausserdem, dass sich manche Hirnregionen vergrössern, wie z.B. die Amygdala. Diese spielt u.a. bei der Entstehung von Angst eine grosse Rolle, was wiederum ein Gestresst-Sein nach sich ziehen kann. Auch hier wieder ein Teufelskreis.
Auslöser einer verminderten kognitiven Leistungsfähigkeit
Sie haben womöglich gerade eine Stosstherapie hinter sich? Dann kann das Gewusel im Kopf eine Folge der Stosstherapie bzw. des Absetzens der Stosstherapie sein – denn diese besteht ja aus hochdosierten Cortisol-Derivaten und triggert daher einige stress-assoziierte Prozesse. Dieser Effekt kann noch einige Wochen nach der Stosstherapie andauern. Ein solcher Effekt kann prinzipiell auch durch manch andere Medikamente ausgelöst bzw. verstärkt werden. Einen möglichen Wechsel auf ein anderes Präparat sollten Sie vorher bitte mit Ihrem Arzt oder Apotheker besprechen.
Vielleicht befinden Sie sich gerade in einem akuten Schub. Manche Nerven im Hirn sind entzündet und funktionieren daher nicht mehr so gut wie früher. Entzündungen bedeuten generell Schwellungen bzw. Wasseransammlungen sowie das zusätzliche Vorhandensein von Molekülen und Zellen, die ohne Entzündung nicht bzw. weniger präsent wären. Das «Abwassersystem» des Gehirns (auch als «Glymphatisches System» bezeichnet), funktioniert daher nicht mehr so gut und ist «etwas verstopft». Sie können sich vorstellen, dass die Informationen «im Stau» stehen und eben nicht wie auf einer freien Autobahn schnell ans Ziel kommen. Da hilft Ihnen Stress auch nicht viel weiter, die Information schneller ans Ziel zu treiben. Er kann sogar kontraproduktiv sein, in dem er den Stau durch das Ausschütten von noch mehr Botenstoffen und Molekülen weiter verstärkt.
Manche Nervenzellen sind nicht mehr entzündet, sondern bereits vernarbt? Hier kann die Information also nicht von einer Sackgasse auf die Autobahn springen, um schnell ans Ziel zu kommen und braucht daher Abzweigungen und Umwege. Abgestorbene Neuronen im Hirn wachsen zwar nicht wieder nach. Aber das Nervengewebe kann sich z. T. selbst reparieren: Direkt nach der Schädigung im Hirn wird das Gewebe um die Läsion herum nämlich besonders flexibel. Neue Zellausläufer verbinden dann Bereiche intakter Regionen miteinander und sorgen dafür, dass diese neue Aufgaben übernehmen – sofern die Schädigung nicht zu gross ist, man das Gehirn für eine Weile regenerieren lässt und es dabei nicht stört [4]. Eine Pause erscheint hier also unbedingt notwendig!
Massnahmen zur Steigerung der kognitiven Leistungsfähigkeit
Was sich recht positiv auf die Funktionsfähigkeit des glymphatischen Systems auswirkt, ist Schlafen. Denn gerade dann ist das glymphatische System besonders aktiv und kann seiner Aufgabe als Entsorgungssystem für Abfallstoffe nachgehen. Eine möglichst gute Schlafqualität ist daher von grosser Bedeutung. Die Länge des Schlafes sollte hierfür auch ausreichend sein. Gestört wird die Aktivität des glymphatischen Systems u.a. durch Stresshormone wie z.B. Noradrenalin, womit wir schon beim nächsten Punkt wären.
Wie bereits erwähnt: Stressreduktion! Wie diese im Detail aussieht, müssen Sie für sich entscheiden, denn da gibt es unterschiedliche Ansätze. Nicht jedem liegt z.B. Yoga oder Ausdauersport (sofern dies körperlich möglich ist). Wenn Sie noch nicht wissen, was Ihnen guttut, dann probieren Sie doch verschiedene Sachen aus (sofern dies körperlich möglich ist) und entscheiden dann, was Ihnen am besten bekommt: Feldenkrais, Yoga, Qi Gong, Tai Chi, Spazierengehen, Ausdauersport, Muskelaufbausport, Meditation (z.B. Body Scan für den Anfang), malen, fotografieren, kochen, … Es sollte auf jeden Fall etwas sein, dass Sie «erdet» und wofür Sie regelmässig (und möglichst gerne) Zeit aufbringen!
Unterstützend wäre ausserdem die körperliche Bewegung zu nennen (sofern Ihnen dies möglich ist). Ob Spazierengehen, Sport, Hippotherapie, Dehnübungen, Ergometertraining, Laufbandtraining, Massage, Lymphdrainage: Bewegen Sie die (Gewebs-)flüssigkeiten (in der alternativen Therapie als «Säfte» bekannt) in Ihrem Körper, so dass eine bessere Versorgung der (Nerven-)Zellen stattfinden kann und Abfallstoffe schneller abtransportiert und abgebaut werden können. Wird der ganze Körper mit einbezogen, dann hat dies auch Einfluss auf den Stofftransport in Gehirn und Rückenmark und somit die Nervengesundheit [5]. Unterstützen können hierbei ausserdem noch Lebensmittel, die als «blutreinigend» oder «entgiftend» gelten, wie z.B. Gemüse und Kräuter, die geniessbare Bitterstoffe enthalten [6].
Kommen wir nun von der Bewegung der Körperflüssigkeiten zum Denksport! Auch wenn Sie körperlich stark eingeschränkt sind, könnte dieser Sport für Sie dennoch gut durchführbar sein. Ob Kreuzworträtsel, Puzzeln, Sudoku, Quiz, Knobelaufgaben, Strategiespiele, Merkspiele, Brettspiele, Klavier spielen, Matheaufgaben, Sprachenlernen, Geschichten- oder Gedichte-Schreiben: Gehirnjogging wirkt dem mentalen Abbau entgegen [7]. Sie können also ihre kognitiven Fähigkeiten ein Stück weit trainieren und verbessern. Versuchen Sie (wenn möglich) verschiedene Denksport-Arten in Ihren Alltag zu integrieren. Denn das Lösen von gleichen Rätselformaten führt langfristig zu einer Automatisierung und nicht unbedingt zum Entwickeln neuer Strategien. Fordern Sie Ihr Hirn immer wieder neu. Ärgern Sie sich nicht, wenn Sie ein Rätsel nicht lösen können, denn das bringt nur wieder Stress mit sich. Bleiben Sie kreativ und spielerisch und gönnen Sie sich auch hin und wieder Pausen, wenn Sie welche brauchen!
Fazit
Eine verminderte kognitive Leistungsfähigkeit kann ausgelöst werden durch Erkrankungen, die Einnahme von Medikamenten oder durch Stress.
Gesteigert werden kann die kognitive Leistungsfähigkeit durch Stressreduktion, Schlaf, regelmässige Bewegung und Denksport.
Referenzen
[1] S. Ouanes and J. Popp, “High Cortisol and the Risk of Dementia and Alzheimer’s Disease: A Review of the Literature,” Front. Aging Neurosci., vol. 11, Mar. 2019, doi: 10.3389/fnagi.2019.00043.
[2] L. Schwabe, M. Tegenthoff, O. Höffken, and O. T. Wolf, “Simultaneous Glucocorticoid and Noradrenergic Activity Disrupts the Neural Basis of Goal-Directed Action in the Human Brain,” J. Neurosci., vol. 32, no. 30, pp. 10146–10155, Jul. 2012, doi: 10.1523/JNEUROSCI.1304-12.2012.
[3] “Kurz- und langfristige Folgen von starkem Stress.” Accessed: Sep. 01, 2024. [Online]. Available: https://www.psychologie.uzh.ch/de/bereiche/dev/lifespan/erleben/berichte/folgenvonstress.html
[4] “Neuroplastizität: Wie das Gehirn sich selbst heilt.” Accessed: Sep. 01, 2024. [Online]. Available: https://www.spektrum.de/magazin/neuroplastizitaet-wie-das-gehirn-sich-selbst-heilt/1935982
[5] R. L. Olegário, O. T. Nóbrega, and E. F. Camargos, “The newly discovered glymphatic system: the missing link between physical exercise and brain health?,” Front. Integr. Neurosci., vol. 18, Apr. 2024, doi: 10.3389/fnint.2024.1349563.
[6] A. C. Duarte et al., “Bitter taste receptors profiling in the human blood-cerebrospinal fluid-barrier,” Biochem. Pharmacol., vol. 177, p. 113954, Jul. 2020, doi: 10.1016/j.bcp.2020.113954.
[7] “Was Denksport wirklich bringt,” geo.de. Accessed: Sep. 01, 2024. [Online]. Available: https://www.geo.de/magazine/geo-kompakt/710-rtkl-gehirntraining-was-denksport-wirklich-bringt
Bildquelle:
Auf ein mittig im Bild zu sehendes Modell eines Gehirn prasseln viele Eindrücke und Einflüsse unterschiedlichster Art ein;
Bild erstellt mit DALL-E by OpenAI im Monat Oktober 2024.
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