Die Bedeutung des Schlafhormons Melatonin bei neurodegenerativen Erkrankungen – der zirkadiane Rhythmus, unentbehrlich für die Gehirnfunktion

Andalucía Andaluía

„Zirkadian“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „über einen Tag“. Bei Menschen ist der durchschnittliche Zyklus etwa 24,2 Stunden lang. Zwei Gene, CLOCK und BMAL1, produzieren Proteine, die eine Struktur bilden, die an DNA bindet, um die Aktivität anderer Gene zu kontrollieren. Diese innere Uhr regelt etwa 10 Prozent der gut 20.000 menschlichen Gene. Diese orchestrieren die Rhythmen von Schlaf, Essen, Körpertemperatur, Hormonspiegel und anderer Prozesse. Unter den Zielgenen finden sich drei in der Periodenfamilie (PER1, PER2 und PER3) und zwei in der Cryptochrom-Familie (CRY1 und CRY2), die wiederum Proteine ​​produzieren, die die Aktivität von CLOCK und BMAL1 blockieren. Diese Rückkopplungsschleife bewirkt die Oszillationen, was dann zu den zirkadianen Rhythmen führt.

Fast jede Zelle im Körper trägt diese Maschinerie in sich und außerhalb des Gehirns kontrollieren zelluläre Uhren lokale zirkadiane Prozesse, vor allem im Herzen und in der Lunge. Aber der Kern des zirkadianen Systems ist der sogenannte suprachiasmatische Kern (SCN), eine stecknadelkopfgroße Region innerhalb einer größeren Struktur tief im Gehirn, dem Hypothalamus. Der SCN fungiert als zentraler Schrittmacher und sendet Signale, die alle anderen Uhren synchronisieren. Es kontrolliert auch die Konzentrationen von Melatonin und Cortisol, zweier Hormone, die für den Schlafzyklus wichtig sind. Der SCN empfängt Signale von seiner Umgebung – das wichtigste davon ist das Tageslicht, das von den Netzhäuten empfangen wird und über diesen Weg den SCN mit dem 24-Stunden-Zyklus synchronisiert.

Eine Störung dieses zirkadianen Prozesses hat – wie sich leicht nachvollziehen lässt – massive negative gesundheitliche Folgen. Das Schlafhormon Melatonin und seine Stoffwechselprodukte besitzen dabei mehrere Funktionen, einschließlich antioxidativer , immunmodulatorischer und entzündungshemmender Auswirkungen. Melatonin hat immunmodulatorische Eigenschaften, die an der Regulierung der zellulären und humoralen Immunität beteiligt sind. Es stimuliert die Produktion von natürlichen Killerzellen, Monozyten und Leukozyten, verändert die Balance der T-Helferzellen (Th)-1 und Th-2 und erhöht die Produktion von für die Entzündungsbekämpfung relevanten Zytokinen. Infolgedessen verbessert Melatonin generell den klinischen Verlauf von Krankheiten mit entzündlicher Ätiologie (Ursache) und gerade diese Eigenschaften sind in Bezug auf die MS von hoher Bedeutung.

Ganz einfach ausgedrückt – ausreichender Schlaf hat eine heilende Wirkung.

Es ist bekannt, dass Schlafstörungen bei MS-Patienten häufiger vorkommen, als in der Allgemeinbevölkerung. Die Studienergebnisse schwanken zwischen 24% und 50% Häufigkeit bei MS-Patienten. Diese Schlafstörungen gehen einher mit einer Dysregulation der Melatoninproduktion und lösen somit einen gefährlichen Teufelskreis aus (siehe oben). Ein weiterer wichtiger Punkt mit Blick auf die MS ist, dass Depressionen, eine häufige Komorbidität bei MS, ebenfalls eng mit niedrigen Melatonin-Niveaus zusammenhängen.

Die Beziehung zwischen Melatonin und MS-Progression ist weit weniger untersucht. Eine finnische Genomstudie berichtete allerdings, dass Polymorphismen in TPH 2- und MTNR1B-Genen das Risiko und die Anhäufung von Behinderungen in der progressiven Verlaufsform der MS modulieren können. Dieser Befund impliziert, dass eine Dysregulation des Melatonins – in einer noch nicht erforschten Weise – die Zunahme der Behinderungsprogression erleichtert.

In der Konsequenz muss also alles getan werden, um einen natürlichen Schlafrhythmus und ein gesundes Melatonin-Niveau wiederherzustellen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten, zu denen wir in einem gesonderten Artikel noch etwas sagen werden, aber auch eine Supplementierung mit Melatonin kann durchaus angebracht sein. Insbesondere in den Fällen, in denen andere Möglichkeiten bisher nicht zum Erfolg geführt haben.

Fazit:

Einerseits wirkt Melatonin als Antioxidans bei einer Krankheit mit dokumentierter oxidativer Stresspathophysiologie (wie MS). Auf der anderen Seite hat es die Fähigkeit den zirkadianen Rhythmus in einer mit dem Schlafstörungen verbundenen Krankheit, ebenfalls wieder die MS, zu normalisieren. Insofern kann es ein weiterer Baustein der Stabilisierung und Heilung bei der MS-Erkrankung sein.

Wichtig dabei ist, dass Melatonin ein hohes Maß an Sicherheit zeigt, gut toleriert wird und bei sachgemäßer Verwendung auch in vergleichsweise hohen Dosen (die üblicherweise nicht nötig sind) keine Nebenwirkungen hat. Zur Frage der möglichen Supplementierung und geeigneten Dosierung sprechen Sie aber bitte Ihren behandelnden Arzt an.


Literatur für Experten

Farez, M. F., Calandri, I. L., Correale, J., Quintana, F. J., Oct. 2016. Anti-inflammatory effects of melatonin in multiple sclerosis. BioEssays : news and reviews in molecular, cellular and developmental biology 38 (10), 1016-1026.

URL http://view.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27561251

Adamczyk-Sowa, M., Pierzchala, K., Sowa, P., Polaniak, R., Kukla, M., Hartel, M., Aug. 2014. Influence of melatonin supplementation on serum antioxidative properties and impact of the quality of life in multiple sclerosis patients. Journal of physiology and pharmacology : an official journal of the Polish Physiological Society 65 (4), 543-550.

URL http://view.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25179086

Adamczyk-Sowa, M., Pierzchala, K., Sowa, P., Polaniak, R., Kukla, M., Hartel, M., Aug. 2014. Influence of melatonin supplementation on serum antioxidative properties and impact of the quality of life in multiple sclerosis patients. Journal of physiology and pharmacology : an official journal of the Polish Physiological Society 65 (4), 543-550.

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Die Life-SMS-Methodik (V) – Zucker

In der 5. Folge unserer Serie zur Life-SMS-Methodik beschäftigen wir uns heute mit dem Thema Zucker und MS. Die in der westlichen Gesellschaft und den dort industriell produzierten Nahrungsmitteln anzutreffende Überschwemmung mit Zucker, wird in Bezug auf den Einfluss bei der Entstehung und den Verlauf chronische Erkrankungen regelmäßig verharmlost und deren Folgen bewusst unter den Teppich gekehrt.

Die Zuckerlobby macht einen super Job!

zuckerverbrauch_1852_-_2005_jorVon 1852 bis heute ist jedoch der pro Kopf-Verbrauch von raffiniertem Zucker in Deutschland (wie in allen Industrieländern) nahezu exponentiell angestiegen. Dieser Faktor 15 führt zu einer Überflutung des Körpers mit Zuckern im Wesentlichen in Form von Fruktose, Glukose und Saccharose. 35 kg/Jahr und Kopf bedeutet für den Körper einen Insulin-Tsunami.

In der Folge entsteht Insulinresistenz, die durch mangelnde Bewegung noch verstärkt wird!

Zusammenhänge mit der MS

Die Insulinresistenz und die daraus folgende  mangelnde Glukoseverwertung in den Zellen hat für viele Aspekte der MS entscheidende  Auswirkungen. Myelinisierungsprozesse sind gestört, der oxidative Stress nimmt zu, DNA und RNA-Synthesen sind gestört, der vorzeitige Zelltod nimmt zu und der Proteintransport und -abbau sind fehlerhaft. Eine fortschreitende Schädigung der Nervenzellen und der Myelinscheiden ist nicht zu vermeiden.

Inzwischen konnte nachgewiesen werden, dass der Schweregrad einer MS-Erkrankung (gemessen am EDSS-Wert) eindeutig positiv mit einer Insulinresistenz korreliert ist.

Konsequenzen für die Behandlung der MS

Für die Behandlung der MS ergeben sich daraus zwei wesentliche Konsequenzen:

  1. Das Risiko einer sich möglicherweise  ausbildenden Insulinresistenz ist durch geeignete Ernährung und körperliche Bewegung zu vermeiden.
  2. Für das Gehirn und die  Nervenzellen ist die notwendige und gegebenenfalls gestörte Energieversorgung wiederherzustellen und/oder durch alternative Versorgungswege zusätzlich zu ermöglichen.

In aller Kürze also die folgenden Empfehlungen:

  • Umstellung der Ernährung auf Lebensmittel mit niedrigem Glykämischem Index.
  • Reduktion der Zufuhr von Zuckern mit starkem Einfluss auf den Insulinspiegel, insbesondere Saccharose (Haushaltszucker) und Glukose (Traubenzucker). Insgesamt einen kohlenhydratarme Ernährung.
  • Ergänzungen der Ernährung mit D-Galaktose und Kokosöl.
  • Soweit wie möglich Verzicht auf Junk Food, Süßgetränke und industriell verarbeitete Lebensmittel (hoher Fruktosegehalt).
  • Messung des B-Vitaminstatus und gegebenenfalls Supplementierung.
  • Bewegung und Sport soweit wie möglich, regelmäßig und maßvoll.

Diese Empfehlungen und Zusammenhänge sind auch in der Landkarte zur Life-SMS Methodik verbildlicht:

2016-10-01-17_08_14-die-life-sms-methodik-zucker-und-ms
Anti-inflammatorische Ernährung

Weitere Hintergründe und Details sind in unserem Faktenblatt Zucker und MS ausführlich nachzulesen.

Zum Thema Fruktose und verbundene Gesundheitsrisiken sei auch dieser Artikel:

„Maissirup (HFCS) und sieben damit verbundene moderne Plagen“


bei der Akademie für menschliche Medizin (AMM) empfohlen!

 


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Bisher vernachlässigt: die Forschung zum Thema sekundär progrediente MS-Formen – aber das Bild hellt sich auf…

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Die MS-Forschung hat sich in den letzten zweieinhalb Jahrzenten vornehmlich mit dem primären Entzündungsvorgang bei der MS und der Bekämpfung des Schubgeschehens beschäftigt. Mehr oder (eher) weniger brauchbare Medikamente liegen inzwischen vor, aber alle haben ein ungünstiges Nebenwirkungsprofil und Heilung ist aus schulmedizinscher Sicht heute nicht möglich. Umso erfreulicher ist es, dass die Forschung sich nun zunehmend auch mit dem zweiten Problem der MS-Erkrankung beschäftigt: dem neurodegenerativen Anteil (also der langsamen Zerstörung von Neuronen und Axonen).

Hier muss es darum gehen den Wiederaufbauprozess der Myelinscheide über Medikamente und Lebensstilmodifikationen zu fördern und gleichzeitig den „virtuellen“ Sauerstoff- und Energiemangel der Hirnzellen und damit ihr Absterben zu verhindern.

Professor Ayman Tourbah von der Universitätsklinik Reims in Frankreich diskutiert in diesem Video von der ECTRIMS-Konferenz in Barcelona, was getan werden kann, um gute Ausgangsbedingungen bei der Behandlung dieser Problematik bei der Erkrankung zu schaffen.

Glücklicherweise gibt erste Hinweise auf “aufbauende” Therapien mit sehr geringen oder keinen Nebenwirkungen, die derzeit in verschiedenen Projekten untersucht werden. Prof. Tourbah arbeitet in diesem Zusammenhang am Thema „hochdosiertes Biotin (Vitamin B7)“. Das entsprechende Interview ist ebenfalls hier zu sehen:

Auf CDP-Cholin hatten wir schon in einem früheren Beitrag verwiesen.

Fazit: Die Lösung des Problems MS wird in einer optimalen Kombination von Möglichkeiten zur Entzündungsbekämpfung und regenerativen Therapien liegen. In beiden Fällen werden Lebensstil-Modifikationen das Fundament einer nachhaltigen Stabilisierung und möglichst Gesundung sein.


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Schöne Bestätigung: Vitamin D moduliert das Immunsystem bei MS

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Seit Beginn unseres Projektes weisen wir auf die Wichtigkeit eines adäquaten Vitamin D-Spiegels und eines regelmäßigen Aufenthalts in der Sonne bei MS-Patienten (und nicht nur bei diesen) hin. Die Zusammenhänge zwischen dem Risiko für das Auftreten der MS sowie für eine stärkere Progression im Krankheitsverlauf bei einem niedrigen Vitamin D-Spiegel sind schon länger bekannt.

Forscher an der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore untersuchten nun die Effekte der Vitamin D-Supplementation bei 40 Erwachsenen im Alter von 18-55 Jahren mit schubförmiger MS. Die Patienten wurden randomisiert und erhielten entweder 10.400 IE oder 800 IE Cholecalciferol (Vitamin D3) täglich für 6 Monate. Die immunologischen Untersuchungen wurden zu Beginn der Studie und nach 3 bzw. 6 Monaten durchgeführt.

Das Ergebnis:

Eine Vitamin D-Supplementierung mit 10.400 IE täglich ist sicher und gut verträglich bei Patienten mit MS und äußert sich in vivo (im lebendigen Organismus) durch vielfältige immunmodulatorische Effekte. Diese betreffen u.a.  die Reduktion der Interleukin-17-Produktion durch CD4+ T-Zellen sowie einen verringerten Anteil der Effektor-Gedächtnis CD4+ T-Zellen bei gleichzeitiger Erhöhung der zentralen Gedächntis-CD4+ T-Zellen und naiver CD4+ T-Zellen.

In der Summe und weniger kompliziert ausgedrückt: ein dämpfender, modulatorischer Effekt auf das Immunsystem konnte eindeutig nachgewiesen werden. Das Ganze war aber dosisabhängig und trat nur in der Gruppe der Patienten mit 10.400 IE Vitamin D3 täglich auf.

Die Folgerung der Forscher ist u.a., dass für MS-Patienten ein Vitamin D3-Spiegel im Vollblut von etwa 50 ng/ml anzustreben ist. Dies liegt genau in der von uns schon 2013 empfohlen Bandbreite zwischen 40 und 60 ng/ml (vergl. Faktenblatt Vitamin D und MS).

[Zum Abstract der Studie]

 


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Neue Studie zeigt: Vitamin D Mangel ist ein frühes Merkmal für eine verstärkte Krankheitsaktivität und -progression bei MS

Eine gerade veröffentlichte Studie der Harvard School of Public Health (Ascherio 2014) mit 468 Patienten zeigt, dass Vitamin D-Mangel ein frühes Kennzeichen für eine verstärkte Krankheitsprogression und die Schubrate darstellt.

Zusammenfassend ergibt diese große Langzeitstudie bei Patienten mit CIS (klinisch isoliertem Syndrom) und nachfolgender Behandlung mit IFNB-1b, dass höhere Serum 25 (OH) D-Spiegel eine geringeren MS-Aktivität, weniger MRI-Läsionen, geringere Hirnatrophie und verminderte klinische Progression während der 5-jährigen Follow-up-Phase robust prognostizieren. Die Ergebnisse deuten wieder einmal darauf hin, dass die Aufdeckung eines Vitamin-D Mangels und die nachfolgende Korrektur über Sonne und Supplementation eine wichtige Rolle in der frühen Behandlung der MS spielen.