Erfahrungsbericht von Birgit vom aKK – alternativmedizinisch-orientierter MS-Kontaktkreis Köln/Rheinland (MS-Selbsthilfegruppe)
So wie im vorletzten Jahr der Neuro-Athletik (neurozentriertes / hirnbasiertes Training) und im letzten Jahr der CANTIENICA®-Methode (ganzheitliches Körpertraining zur Stärkung der Tiefenmuskulatur und Optimierung der Körperhaltung) widmeten wir uns im jährlichen aKK-Kurs dieses Mal – aus vielen guten Gründen – der Herzratenvariabilität (HRV).
Siehe auch HRV-Newsfeed Teil 1 vom 16.11.2025.
Die diesjährige Übungsreihe „Ressourcenmanagement mittels HRV“ umfasste acht Wochen mit je einer angeleiteten intensiven Doppelstunde.

| Kurzinfo: HRV-Messwerte HRV misst die Fähigkeit des Körpers, zwischen Anspannung und Entspannung zu wechseln. Hohe HRV bedeutet gute Selbstregulation; niedrige HRV weist auf Stress, Erschöpfung oder Krankheit hin. Die individuelle Veränderung über die Zeit (die Trendtendenz) ist aussagekräftiger als reine Vergleichswerte oder Normtabellen. Das macht HRV (insbesondere die RMSSD-Werte davon) als Anpassungs- und Regenerationsindikator geeignet – auch für die Beurteilung, ob Übungen oder Lebensstiländerungen den Stresslevel positiv beeinflussen. Moderne Fitness-Uhren oder Wearables messen – auf Wunsch auch nachts – die HRV und zeigen (wie im Bildbeispiel oben) eine Skala für die HRV an. |
Als wir mit der Übungsserie starteten, dachte ich, dass es sich um eine weitere Art der Mobilität handelt. Der Einstieg erfolgte für uns nämlich über das Thema Resilienz. Nun gut, Wiederholung schadet ja nicht. Im Laufe der Trainingsserie setzte es sich fort, dass Aspekte aus dem neurozentrierten Training (gezielt werden Gehirn und Nervensystem stimuliert, um Bewegungsabläufe, Koordination und Leistungsfähigkeit effizienter zu steuern, bzw. überhaupt wieder ansteuern zu können) wieder aufgegriffen wurden. Mit dieser für mich neuen weiteren Messmethode wird das Rad nicht neu erfunden, so dass die Bezüge zum neurozentrierten Training, Krafttraining, Yoga und vielen weiteren Aspekten der Selbstfürsorge durchaus sinnvoll und hilfreich sind.
Der Rhythmus gibt den Takt an, oder wie?
Aber worum geht es hier eigentlich genau? Die HRV (heart rate variability = Herzratenvariabilität, manchmal auch selbsterklärender Herzrhythmusvariabilität genannt) zeigt an, wie die Zeit zwischen zwei Herzschlägen variiert. Sie sagt aus, inwieweit der Körper in der Lage ist, zwischen Anspannung und Entspannung zu reagieren. Ein immer gleicher Rhythmus ist ein Zeichen dafür, dass wir in einem Zustand verharren – und das ist meist der angespannte.
Die Mess-Technik gestaltet sich jedoch als komplex. Es werden detaillierte Messungswerte erhoben, die länger regelmäßig beobachtet werden sollten. Unser Dozent Konstantin hat sich vorab dankenswerterweise die große Mühe gemacht, aus dem App-Dschungel sowohl für Android als auch iPhones je eine App herauszufiltern, die – ohne weitere Tools, Abos, große Kenntnisse unsererseits oder Datenheischerei dererseits – brauchbare Ergebnisse liefern und trotzdem gratis sind. So können wir sie einigermaßen bedenkenlos für unseren Einstieg nutzen. Und das ist es eigentlich auch: ein Einstieg ins Thema. Für detailliertere, genauere und regelmäßige Messungen sowie deren Auswertung haben wir reichlich Material und Übungsanregungen bekommen – und dann muss man noch einiges mehr bedenken (denn einfach ist die Angelegenheit absolut nicht zu verstehen) und gegebenenfalls auch zu Tools wechseln, die nicht mehr gratis sind, eventuell sogar ein Abo erfordern.
HRV ist nicht nur individuell, sondern unstet
Wir haben während der Trainingsserie immer zu Beginn unsere Werte genommen und nochmals nach den praktizierten Übungseinheiten. Und hier gingen in der Gruppe die Erfahrungen auseinander: Was für den einen eine positive Wirkung auf die HRV-Werte hatte, wirkte sich auf die nächste überhaupt nicht aus. Es kam sogar vor, dass sich die HRV in eine nicht gewünschte Richtung verändert hat. Das zeigt, wie individuell wir reagieren und dass man einfach ausprobieren muss, was einen selbst unterstützt. Und genau dafür war dieser Einstieg in HRV gedacht: Anhand von verifizierbaren Messwerten erleben, welche z.B. Entspannungsmethode mir persönlich am meisten was bringt und welche ich mir gleich ganz schenken kann. Bringt Autogenes Training mir wirklich so viel Entspannung, dass es bei meinem Körpersystem ankommt oder macht es mich fitter?
Wirkt die eine Atemtrainingsmethode genauso gut wie andere oder zu welchen Zeiten besonders gut auf mich?
Wie wirkt was auf meine persönliche HRV hier und jetzt?
Verschiedenste Übungsarten haben wir dazu „hervorgeholt“ und praktiziert:
- Salutogenese nach Antonovsky
- Entspannungstraining für Kiefer, Nacken und Schulter (auch hinsichtlich des Trigeminus)
- Dynamische Entspannung nach Peter Bergholz
- PMR – Progressive Muskelentspannung nach Jacobson
- Autogenes Training
- Autonome Regulation
- Buteyko-Atmung
- Entspannen oder Aktivieren mittels Düften
Spannend und erfreulich empfinde ich, dass es viele Möglichkeiten gibt, die HRV zu beeinflussen. So besteht nicht die Gefahr von „Wellness-Stress“; ich habe die Möglichkeit, vieles auszuprobieren. Wenn die eine Methode nicht so gut klappt und/oder nicht so gefällt, probiere ich einfach eine andere. Dafür war dieses Best-off der Entspannungstechniken sehr hilfreich.
Jeder dieser Techniken könnte ein eigener Artikel gewidmet sein.
Kiefer und Trigeminus
Hervorheben möchte ich jedoch, dass der Fokus auf den Kiefer und den Trigeminus-Nerv relativ fix bei einem Großteil der Gruppe zu einer Verbesserung der Werte geführt hat. Denen möchte ich hier einen Platz geben:
• Massage der Ohren und der Haut hinter den Ohren
• Zunge kreisen
• Allein
• Kombiniert mit Schulterkreisen
• Weiterhin kombiniert mit Summen
• Ausstreichen des Gesichts
• Lockerung des Kiefergelenks
• Mit dem Mittelfinger das Kiefergelenk spüren
• Leicht klopfen
• 30 – 60 Sekunden drücken
• Kaumuskeln massieren und dehnen
Den Mittelfinger sollte man nehmen, weil Daumen und Zeigefinger zu „trainiert“ sind und die Gefahr besteht, dass zu viel Druck auf das Kiefergelenk ausgeübt wird.
• Nacken- und Kiefergelenke lösen, indem man Zick-Zack-Linien mit der Nase malt.
• Den Unterkiefer seitlich, vor- und zurückbewegen und acht Mal in jede Richtung kreisen.
Erstaunlich, dass nach so wenig Übungsaufwand, eine Veränderung der HRV möglich ist.
Entspannt – aktiv – überaktiv?
Außerdem habe ich mich erstmal ernsthaft mit dem Begriffspaar Sympathikus/Parasympathikus beschäftigt. Das Verhältnis von sympathischer zu parasympathischer Aktivität ist ein Wert, der erhoben wird (idealerweise liegt der bei 1, was ich bisher nicht ein einziges Mal hatte). Eine lohnende Weise der Selbstbeobachtung; so komme ich Stück für Stück meinen Schlafproblemen auf die Schliche, da ein ausgewogenes Verhältnis der sympathischen und parasympathischen Aktivitäten wünschenswert ist. Dass und wie unser Körper auf bestimmte Aktivitäten reagiert, können diverse Applikationen auswerten. Ein Ungleichgewicht Richtung sympathischer Aktivität (= ergotrope Wirkung) zeugt einfach ausgedrückt von „Überaktivität“ – und das wiederum kann sich auf die HRV auswirken.
Vielleicht mögt ihr das mal ausprobieren. Einige App’s ermöglichen einen – mehr oder weniger einfachen – Einstieg. Da sich hier der Stand der Dinge rasend schnell ändert, nennen wir hier keine, sondern empfehlen stets eine aktuelle Recherche (die auch auf das Betriebssystem des jeweiligen Geräts abgestimmt sein muss).
Achtet jedoch darauf, dass folgende Werte erhoben werden können:
• HRV
• HF/LF
• RMSSD
• SDNN
Was sie besagen, wird in guten App’s an der jeweiligen Stelle über ein Hilfemenü bei Bedarf erklärt.
Fazit
Eine gute Wiederholung und Ergänzung zum Neurozentrierten Training vom vorletzten Jahr, verbunden mit einer weiteren technischen Messmethode: den Werten aus der Beobachtung der HRV.
Ich werde mich mehr mit den sympathischen bzw. parasympathischen Aktivitäten im Nervensystem beschäftigen. Dabei wird meine HRV sicher eine Rolle spielen. Ich habe mich auch schon nach anderen App’s umgeschaut, die besser zu mir und meinen individuellen Bedürfnissen passen. Ich werde weiterhin die Werte messen und versuchen, ein Vorher-Nachher zu erfassen. Es ist ein interessanter und spannender Aspekt, die HRV zu beobachten. Hierbei gibt es jedoch nicht den Wert, den es zu erreichen gilt. Und jeder Tag ist anders…
Deswegen sollte man auch darauf achten, dass es nicht zum Stress wird, die Werte regelmäßig zu erheben. Sonst trägt etwas, was zur Entspannung beitragen soll, ganz schnell zur weiteren Spannung bei; aber auf jeden Fall spannend…
© Bild: Hildy vom Life-SMS-Team
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